Der jugoslawische Partisanenfilm

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Version vom 22. November 2014, 14:40 Uhr von Marvin (Diskussion | Beiträge) (Geschichte des Partisanenfilms)
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Filmstill: Walter verteidigt Sarajevo
(Valter brani Sarajevo, 1972) von Hajrudin Krvavac

Text: MR

Der Partisanenfilm gilt als erfolgreichstes Genre der jugoslawischen Filmgeschichte. Als ein Subgenre der Kriegsfilme stellen die Partisanenfilme den Befreiungskampf der Partisanen gegen die Besatzer und Kollaborateure dar.[1]

Ideologie des Partisanenfilms

Das Thema des Partisanenkampfes eignete sich ideal in verschiedensten Formen der künstlerischen Darstellung. Der Widerstand gegen die deutschen Belagerer bot die Grundlage und Legitimation des kommunistischen Regimes unter Josip Broz Tito. Durch die Glorifizierung der Vergangenheit konnte man auch auf die Gegenwart Einfluss nehmen. So werden die Partisanenfilme zu Trägern der Ideologie.[2] Die Filme prägten die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg auch für die nachfolgenden Generationen. Die «Brüderlichkeit und Einheit», welche die Schlagwörter der Sozialistische Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) waren, kamen in den Geschichten der Befreiungskämpfer besonders zur Geltung. Die Natürlichkeit der Entwicklung hin zum jugoslawischen Staat mit Marschall Tito an der Spitze, konnte durch die Partisanenfilme illustriert werden.[1]

Geschichte des Partisanenfilms

Der Partisanenfilm ist keine jugoslawische Erfindung, sondern war ein internationales Phänomen. In vielen Ländern Europas wurden schon während dem Zweiten Weltkrieges Partisanenfilme produziert. Der erste jugoslawische Film dieses Genre war Slavica von Vjekoslav Afrić (Slavica, 1947). Zeitgleich war es auch der erste Spielfilm im noch jungen Staat Jugoslawien überhaupt.[3] Die frühen Partisanenfilme waren stark an die sowjetischen Kriegsfilme angelehnt. Sie folgten der Doktrin des Sozialistischen Realismus (Sozrealismus), die eng mit der Person Stalins verbunden war. Nachdem Josip Broz Tito ab 1948 mit dem System und der Idee des Stalinismus brach, verschwanden die Elemente des Sozrealismus nach und nach auch aus den jugoslawischen Künsten. So begann eine Phase der Kinoproduktionen in der die Filme neben dem heimischen Publikum gezielt auch ausländische Märkte erreichen sollten.[4] Internationale Koproduktionen wie der österreichisch-jugoslawische Partisanenfilm Die Letzte Brücke (Poslednji Most, 1954) füllten die Kinosäle auch im Ausland. Solche Kooperationen mit anderen Staaten waren typisch für die gesamte Phase des jugoslawischen Kinos. Das blockfreie Jugoslawien konnte trotz der sozialistischen Staatsordnung auch mit westeuropäischen Mächten Filme produzieren.[5]

In den 60er Jahren entwickelte sich in Jugoslawien eine Bewegung in der Filmszene, welche Neuer jugoslawischer Film oder «Schwarze Welle» genannt wurde. Der Partisanenkampf blieb weiterhin eine häufige Thematik dieser Filme, wurde aber nun auch kritischer beleuchtet. Der Film Drei (Tri, 1965) von Aleksandar Petrović zeigt das Partisanentum und den Zweiten Weltkrieg Verherrlichung. Die Produktion kann wegen seiner Darstellung von Angst und Furcht als wichtigster jugoslawischer Anti-Kriegsfilm bezeichnet werden.[1] Generell sind diese Jahre in Jugoslawien eine Phase der Emanzipation und Dezentralisierung, was insbesondere auch in den filmischen Werken zum Ausdruck kommt.

Die Partisanenfilme, welche in den späten 60er bis 70er Jahren gedreht wurden, beziehen sich zurück auf die alten Werte der frühen jugoslawischen Filme. Es ging erneut darum nur Positives von Tito und den Partisanen zu zeigen und den Befreiungskampf der Partisanen als heilig darzustellen.[6]

Daher wird dieses staatliche Filmprogramm auch im Kontrast zur «Schwarze Welle» als «Rote Welle» bezeichnet.[7] Die Filme waren in ihrer Wirkung auf eine breite Masse ausgelegt und die Politik nahm wieder grösseren Einfluss auf die Regisseure. Die Vergangenheit des Partisanenkampfes wurde wieder ins Zentrum gerückt, da es heikler war aktuelle Themen zu behandeln.[1] Aufgrund des oft einfachen Handlungsbogens und der stereotypischen Charakterzeichnung werden die Partisanenfilme oft mit Hollywoodproduktionen verglichen. Typische Werke der sogenannten «Roten Welle» waren u.a. die beiden Kriegsepen Die Schlacht an der Neretva (Bitka na Neretvi, 1969) und Die fünfte Offensive (Sutjeska, 1973).

DVD Cover von Sutjeska (1973) von Stipe Delić

Für Die Schlacht an der Neretva konnte Regisseur Veljko Bulajić internationale Topstars gewinnen. Der Film, der auf einer wahren Episode des Zweiten Weltkriegs basiert, wurde 1970 sogar für den Oscar nominiert. Bulajić, der auch schon mit Kozara (1962) grossen Erfolg hatte, kann als wichtigster Vertreter des spektakulären und actionreichen Partisanenfilms bezeichnet werden.[1] Auch Sutjeska von Regisseur Stipe Delić zeigt eine der legendären Offensiven des Partisanenwiderstands. Der Film kostete unglaubliche 3,3 Millionen Dollar, was für diese Zeit eine ungeheure Summe darstellte.[8] Die Hauptrolle in diesem Blockbuster war die des Marschall Titos höchstpersönlich. Gespielt wurde er von Schauspiellegende Richard Burton, welcher mit seiner Frau Elizabeth Taylor ein häufiger Gast in Jugoslawien war. Der Film war in seiner Art als Grossproduktion und seiner durchwegs positiven Darstellung Josip Broz Titos ein typisches Beispiel für die «Rote Welle».[9]

Aber nicht nur die epischen Kriegsspektakel mit berühmten Hollywoodstars zogen die Leute ins Kino. Filme wie Walter verteidigt Sarajevo (Valter brani Sarajevo, 1972) von Hajrudin Krvavac wurden zu internationalen Kassenschlagern. Die Geschichte über den Partisanen des Untergrunds erfreute sich vor allem in den kommunistischen Ländern grosser Beliebtheit und gilt noch heute als absoluter Kultfilm. Walter verteidigt Sarajevo war keines dieser grandiosen Spektakel auf dem Schlachtfeld.[1] Eher könnte man ihn als Agenten- oder Spionagefilm in der Stadt Sarajevo bezeichnen. Der Hauptdarsteller Bata Živojinović, der auch in vielen weiteren Partisanenfilmen mitspielt, wird durch Walter, bis heute zum absoluten Kultstar.[5] Das Partisanenthema schaffte es in den 70ern auch ins TV. Die Serie Die Abgeschriebenen (Otpisani 1974-75) von Aleksandar Đorđević zeigte eine Gruppe Belgrader Untergrundbefreiungskämpfer und war eine der beliebtesten TV-Serien in Jugoslawien.[1]

Gegen Ende der 70er Jahre ging das Interesse an den Partisanenfilmen langsam verloren. So blieb auch das Kriegsspektakel des Walter-Regisseurs Hajrudin Krvavac Partisanenschwadron (Partizanska Eskandrila, 1979) deutlich unter den Erwartungen zurück. In den 80er Jahren rückte das Partisanenthema in der Filmindustrie in den Hintergrund. Nicht nur die Regisseure verloren das Interesse am Stoff, sondern auch bei den Machthabern stand dieses Thema nicht mehr an erster Stelle. Immer mehr Filmemacher weichen vom Partisanenstoff ab und richten ihr Augenmerk auf nationale Themen. Zunehmend treten Literarturverfilmungen auf, so verfilmte z.B. der Regisseur Antun Vrdoljak, der in den 70ern selber Partisanenfilme drehte, nun zahlreiche Klassiker der kroatischen Literatur.[10]

Mit dem Zerfall der SFRJ fand auch der Partisanenfilm ein Ende. Die Filme der 90er Jahre behandelten grösstenteils den Sezessionskrieg, griffen allerdings öfters auf die Partisanenfilme zurück. Noch heute gelten die Partisanenfilme als bedeutendes Kulturprodukt Jugoslawiens und sind ein wichtiger Träger der Jugonostalgie. Sie werden regelmässig als Klassiker im Festival- und Fernsehprogramm gezeigt.[11] Einen Einblick in das Universum der Partisanenfilme bietet der Dokumentarfilm Cinema Komunisto (2010). Darin werden nicht nur Regisseure und Schauspieler vorgestellt, sondern auch deren Erinnerungen an die Partisanenfilme beleuchtet.[5]

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Iordanova, D. (Ed.), 2006. The cinema of the Balkans. Wallflower, London; New York. S. 109.ff
  2. Levi, P., 2007. Disintegration in frames: aesthetics and ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford University Press, Stanford, Calif. S. 64.
  3. Simeunović, T. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/02.pdf (Stand: 22.10.2014).
  4. Kosanović, D.: Srbija. In: B. Grbić (Hrsg.): Die siebte Kunst auf dem Pulverfass. 1996. Graz. S. 111.
  5. 5,0 5,1 5,2 Keller, Florian. “Als Hollywood Auf Dem Balkan Lag. ”Derbund.ch/.http://www.derbund.ch/agenda/kino/Als-Hollywood-auf-dem-Balkan-lag/story/28887985.(Stand: 13.11.14)
  6. Simeunović, 2010. S. 130.
  7. Vidan, A., 2011. Spaces of ideology in South Slavic films. In: Studies in East European Cinema, Vol. 2, Nr.2. S.173- 192.
  8. Schoenberner, Gerhard. “Tito Sah Richard Burton Als Tito.” Die Zeit, sec. kultur. http://www.zeit.de/1973/35/tito-sah-richard-burton-als-tito.(Stand:14.11.14)
  9. Vidan, Aida, ed. In Contrast: Croatian Film Today. New York: Berghahn Books, 2012. S. 34.
  10. Vidan, Aida, ed. In Contrast: Croatian Film Today. 2012. S. 39.
  11. http://www.srf.ch/player/radio/drs2aktuell/audio/partisanenfilme-der-neue-trend-auf-dem-balkan?id=4c65972b-9763-44ab-a5bb-92dadb8554f9 (Stand: 7.11.2014)

Literaturliste (Auswahl)

  • Delic, Stipe. The Battle of Sutjeska. Drama, War, 1974.
  • Goulding, Daniel J. Liberated Cinema: The Yugoslav Experience, 1945-2001. 2nd ed., rev. and expanded. Bloomington: Indiana University Press, 2002.
  • Iordanova, Dina. Cinema of Flames Balkan Film, Culture and the Media. London: British Film Institute, 2001.
  • Iordanova, Dina, ed. The Cinema of the Balkans. London; New York: Wallflower, 2006.
  • Keller, Florian. “Als Hollywood Auf Dem Balkan Lag. ”Derbund.ch/.http://www.derbund.ch/agenda/kino/Als-Hollywood-auf-dem-Balkan-lag/story/28887985. (Stand: 13.11.14)
  • Krvavac, Hajrudin. Walter Defends Sarajevo. War, 1972.
  • Levi, Pavle. Disintegration in Frames: Aesthetics and Ideology in the Yugoslav and Post-Yugoslav Cinema. Stanford, Calif: Stanford University Press, 2007.
  • "Partisanenfilm; Der neue Trend auf dem Balkan. "http://www.srf.ch/player/radio/drs2aktuell/audio/partisanenfilme-der-neue-trend-auf-dem-balkan?id=4c65972b-9763-44ab-a5bb-92dadb8554f9 (Stand: 7.11.2014)
  • Schoenberner, Gerhard. “Tito Sah Richard Burton Als Tito.” Die Zeit, sec. kultur. http://www.zeit.de/1973/35/tito-sah-richard-burton-als-tito. (Stand:14.11.14)
  • Simeunović, Tatjana. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/02.pdf (Stand: 22.10.2014).
  • Stoil, Michael Jon. Balkan Cinema: Evolution after the Revolution. Studies in Cinema, no. 11. Ann Arbor, MI: UMI Research Press, 1982.
  • Vidan, Aida, ed. In Contrast: Croatian Film Today. New York: Berghahn Books, 2012.
  • Vidan Aida. Spaces of Ideology in South Slavic Film. Studies in East European Cinema . 2011;2(2).