Die Schlacht an der Neretva
Text: ŽM
Die Schlacht an der Neretva (Bitka na Neretvi, 1969) von Veljko Bulajić ist einer der bekanntesten jugoslawischen Kriegs- bzw. Partisanenfilme der sogenannten Roten Welle. Neben bekannten Filmgrössen Jugoslawiens beherbergt dieses Kriegsfilmspektakel auch viele internationale Filmstars[1] und wurde ein Jahr später für den Oscar nominiert.[2]
Inhaltsverzeichnis
Historischer Hintergrund
Die Schlacht an der Neretva ist die Bezeichnung für die vierte von insgesamt sieben «feindlichen Offensiven» (neprijateljske ofanzive) bzw. die kriegerische Auseinandersetzung der Achsenmächte und seiner Verbündeten (Deutsches Reich, Königreich Italien, Unabhängiger Staat Kroatien (USK), Tschetniks) gegen die jugoslawischen Partisanen. Die «Operation Weiss», wie der strategische Plan von den Deutschen Streitkräften genannt wurde, begann im Januar 1943 auf dem Gebiet Bosnien-Herzegowinas und endete im April 1943 nahe des Flusses Neretva. Die Operation zielte darauf ab, die Partisanen möglichst vollständig zu vernichten, was unter anderem durch Titos Strategie verhindert werden konnte.[3]
Besetzung
Dem Regisseur Veljko Bulajić ist es gelungen, für die Verfilmung der vierten «feindlichen Offensive» namhafte Filmstars aus dem Inland wie auch aus dem Ausland zu gewinnen. Die Wirkung, die Bulajić durch eine solche Besetzung schaffte, war auch voll und ganz im Interesse der kommunistischen Führung Jugoslawiens. So fanden sich verschiedenste Nationalitäten in den unterschiedlichsten Rollen im Film wieder. Fokussiert auf die Partisanen sah das wie folgt aus: Der sowjetische Schauspieler Sergej Bondarčuk spielte den Slowenen Martin, der kroatische Schauspieler Boris Dvornik tritt als der Kroate Stipe auf und der Amerikaner Yul Brynner, der seinerseits die Rolle eines national undefinierten Partisanen spielt. Das Konzept der «Brüderlichkeit und Einheit» wurde im Film nicht nur auf die Partisanen übertragen, sondern der gesamte Film wiederspiegelte dieses besondere jugoslawische Konzept zur Vereinigung der Nationen. So liessen sich die Fragen der nationalen Zugehörigkeit vom Leitmotiv der «Brüderlichkeit und Einheit» verdrängen, was auch im Film sehr gut zum Vorschein kommt. Die Besetzung von weiteren Grössen aus verschiedensten Ländern und beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ermöglichten dem Film seinen internationalen Erfolg und festigte Jugoslawiens Stellung als führende Kraft der Blockfreien-Bewegung. Schauspieler wie Ljubiša Samarđić (als Novak) und Velimir Bata Živojinović (als Stole), Franco Nero (als Capitani Michele Riva), Orson Wells (als Tschetnik und Repräsentant des Königs) sind nur ein Teil der breitgefächerten Liste an Schauspielgrössen, die in diesem Filmmonument mitgewirkt haben.[4]
Handlung und Besonderheiten
Eingeleitet wird der Film durch ein Zitat Titos:
«Bei der Neretva im okkupierten Europa führten wir eine der feierlichsten und humansten Schlachten – Die Schlacht für die Verwundeten. Dort entschied sich das Schicksal der Revolution. Dort gewann die Brüderlichkeit und Einheit unserer Völker.»
Im Film wird der historische Hintergrund in das Narrativ der «Brüderlichkeit und Einheit» eingebettet. So wandern zu Anfang Scharen von Partisanen und Ihren Anhängern durch die Strassen einer Kleinstadt und singen Tito-Lieder. Die Partisanen werden als ein heterogenes Kollektiv während die Feinde der Partisanen, obwohl nicht alle im gleichen Masse, als überaus böse dargestellt werden. Diese Nuancierung der Feinde ist eine weitere Besonderheit des Films. Die deutsche Wehrmacht wird anhand ihrer hochmodernen Ausrüstung dargestellt: Sie drängt «mechanisch», mit Panzern und Flugzeugen ins Land ein. Unter den Italienern, die ebenfalls Richtung Schlachtfeld ziehen, hebt sich insbesondere die Figur von Capitani Riva ab – gleich zum Filmbeginn äussert er seine Zweifel am faschistischen Kampf. Die Tschetniks wiederum ziehen säbelschwingend und grunzend in den Kampf und fügen noch eine barbarische Ebene dem Gesamtbild des Feindes ein.[5]
Der Höhepunkt des Films ist die Zerstörung der Brücke bei der Neretva. Eine Nachricht vom abwesenden Tito, mündlich überbracht von Stole (Velimir Bata Živojinović), leitet die entscheidende Sprengung ein. Überhaupt können die Abwesenheit Titos und seine Kommunikation per Brief, «Das Fenster muss fallen» (Prozor mora pasti), und die übermittelten Nachrichten als ein raffinierter Filmtrick verstanden werden. Im Gespräch mit Tito habe Bulajić den Präsidenten und Marschall davon überzeugt, dass seine Abwesenheit den humanen Kampf der Partisanen mehr in den Vordergrund stellen würde.[6] So ist Tito nicht als Figur dargestellt, aber durch Briefe, Nachrichten sowie Lieder im Film omnipräsent. Dies lässt das Bild von einem Tito entstehen, der auf eine übermenschliche Art immer gegenwärtig scheint.[7]
Den Abschluss des Films bildet die Schlacht der Partisanen gegen die Tschetniks auf der anderen Seite der Brücke. Die Wichtigkeit dieser Schlacht ist dadurch zu erklären, dass die Tschetniks als monarchistische Kapitalisten eine absolut gegenteilige Ideologie pflegten als die Jugoslawischen Kommunisten. Die Tschetniks waren also Feinde der Partisanen, gründeten aber ihren Ursprung auf gleichem Territorium. Genau diese Schlacht galt es zu gewinnen um die Stellung des jugoslawischen Kommunismus zu festigen[8],was im Film durchaus gelingt.
Der Film als Erinnerungsort
Im Film wurde für die Überquerung der Brücke über die Neretva der Originalschauplatz genutzt. In Jablanica, gleich neben der zerstörten Brücke, wurde einige Jahre nach den Dreharbeiten des Films ein Museum[9] eingerichtet, um an diesen historischen Ort zu erinnern. An diesem Erinnerungsraum wird klar, was für einen Wert dieses Filmmonument für Tito und das kommunistische Jugoslawien hatte: Die damals noch intakte Brücke wurde nämlich zu Filmzwecken zerstört. Allerdings waren die Aufnahmen wegen zu grosser Rauchentwicklung am Drehort unbrauchbar. Die im Film verwendeten Aufnahmen mussten nachträglich in Filmstudios in Tschechien gedreht werden. Im Gegensatz zum Museum, welches heute um sein Bestehen eher zu kämpfen hat, ist der Film Die Schlacht an der Neretva noch immer noch einer der beliebtesten Kriegsfilme und wird in vielen ehemaligen Republiken als Meisterstück der Filmgeschichte gepriesen.[10] Gleichzeitig entstehen in der jüngeren Vergangenheit Streitfragen und Kontroversern darüber, zu welcher Republik dieser Kriegsepos heute gehört.[11]
Anmerkungen
- ↑ http://www.imdb.com/title/tt0064091/?ref_=ttfc_fc_tt (Stand: 31.10.14).
- ↑ http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schlacht_an_der_Neretva_%28Film%29 (Stand: 06.11.14).
- ↑ http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Neretva (Stand: 06.11.14).
- ↑ Zvijer, Nemanja: Ideologija i vrednosti u jugoslovenskom ratnom spektaklu. In: Robić-Škarica, Vera (Hg.): Hrvatski filmski ljetopis. Zagreb 2009, S. 36-38.
- ↑ Zvijer, 2009. S. 29-31.
- ↑ Bulaijć, Veljko: In: Lepović, Radonja (Hg.): Vlastito iskustvo past present. Beograd: Samizdat B92, 2005.
- ↑ Zvijer, 2009. S. 29-31.
- ↑ Zvijer, 2009. S. 30-31.
- ↑ http://www.muzej-jablanica.com/
- ↑ http://mojtv.hr/film/350/bitka-na-neretvi.aspx (Stand: 06.11.14).
- ↑ http://www.telegraf.rs/vesti/653416-cija-je-bitka-na-neretvi-hrvati-i-bosanci-je-svojataju-srbi-sede-skrstenih-ruku-video (Stand: 06.11.2011).
Literaturliste (Auswahl)
- Calic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München: C.H. Beck, 2010.
- Robić-Škarica, Vera (Hg.): hrvastki filmski ljetopis. Zagreb: Hrvatski filmski savez, 2009.
- Škrabalo, Ivo: Hrvatska filmska povijest ukratko (1896-2006). Zagreb: V.B.Z., 2008.
- Sundhaussen, Holm: Jugoslawien und seine Nachfolgerstaaten 1943-2011: Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Wien: Böhlau Verlag, 2012.