Der jugoslawische Partisanenfilm
Der Partisanenfilm gilt als erfolgreichstes Genre der jugoslawischen Filmgeschichte. Die Partisanenfilme sind eine Sub-Genre der Kriegsfilme, welche den Befreiungskampf der Partisanen gegen die Besatzer und Kollaborateure darstellen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Ideologie des Partisanenfilms
Das Thema des Partisanenkampfes eignete sich ideal, da der Widerstand gegen die deutschen Belagerer die Grundlage und Legitimation des kommunistischen Regimes unter Josip Broz Tito darstellte. Durch die Glorifizierung der Vergangenheit konnte man auch auf die Gegenwart Einfluss nehmen. So werden die Partisanenfilme zu Trägern der Ideologie.[2] Die Filme prägten die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg auch für die nachfolgenden Generationen. Die «Brüderlichkeit und Einheit», welche die Schlagwörter des sozialistischen Jugoslawiens waren, kamen in den Geschichten der Befreiungskämpfer besonders zur Geltung. Die Natürlichkeit des jugoslawischen Staates mit seinem Marschall Tito an der Spitze konnte durch die Partisanenfilme illustriert werden.[1]
Geschichte des Partisanenfilms
Der Partisanenfilm ist keine jugoslawische Erfindung, sondern war ein internationales Phänomen. In vielen Ländern Europas wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Partisanenfilme produziert. Der erste jugoslawische Film dieses Genre war Slavica von Vjekoslav Afrić (Slavica, 1947). Zeitgleich war es auch der erste Spielfilm im noch jungen Staat Jugoslawien überhaupt.[3] Die frühen Partisanenfilme waren stark an die sowjetischen Kriegsfilme angelehnt. Sie folgten der Doktrin des Sozialistischen Realismus (Sozrealismus). Diese Stilrichtung war eng mit der Person Stalins verbunden. Nachdem Josip Broz Tito ab 1948 mit dem System und der Idee des Stalinismus brach, verschwanden die Elemente des Sozrealismus nach und nach auch aus den Kinoproduktionen. Es begann eine Phase in der die Filme neben dem heimischen Publikum gezielt auch ausländische Märkte erreichen sollten.[4] Internationale Koproduktionen wie der österreichisch-jugoslawische Partisanenfilm Die Letzte Brücke (Poslednji Most, 1954) füllten die Kinosäle auch im Ausland. Solche Kooperationen mit anderen Staaten sind typisch für die gesamte Phase des jugoslawischen Kinos. Das blockfreie Jugoslawien konnte trotz der sozialistischen Staatsordnung mit westeuropäischen Mächten Filme produzieren.[5]
In den 60er Jahren entwickelte sich in Jugoslawien eine Bewegung in der Filmszene, welche Neuer jugoslawischer Film oder «Schwarze Welle» genannt wurde. Der Partisanenkampf blieb weiterhin eine häufige Thematik der Filme, wurde aber nun auch kritischer beleuchtet. Der Film Drei (Tri, 1965) von Aleksandar Petrović zeigt das Partisanentum und den Zweiten Weltkrieg Verherrlichung. Er kann wegen seiner Darstellung von Angst und Furcht als Anti-Kriegsfilm bezeichnet werden.[1] Generell sind diese Jahre in Jugoslawien eine Phase der Emanzipation und Dezentralisierung, was in den Filmen der Zeit auch zum Ausdruck kommt.
Die Partisanenfilme, welche in den späten 60er bis 70er Jahren gedreht wurden, beziehen sich zurück auf die alten Werte der frühen jugoslawischen Filme. Es ging darum nur positives von Tito und den Partisanen zu zeigen und den Befreiungskampf der Partisanen als heilig darzustellen.[6]
Daher wird dieses staatliche Filmprogramm auch im Kontrast zur «Schwarze Welle» als «Rote Welle» bezeichnet.[7] Aufgrund des oft einfachen Handlungsbogens und der stereotypischen Charakterzeichnung werden die Partisanenfilme oft mit Hollywoodproduktionen verglichen. Die Filme waren in ihrer Wirkung auf eine breite Masse ausgelegt und die Politik nahm wieder grösseren Einfluss auf die Regisseure. Die Vergangenheit des Partisanenkampfes wurde wieder ins Zentrum gerückt, da es heikler war aktuelle Themen zu behandeln.[1]
Für Die Schlacht an der Neretva (Bitka na Neretvi, 1969) konnte Regisseur Veljko Bulajić internationale Topstars gewinnen. Der Film, der auf einer wahren Episode des Zweiten Weltkriegs basiert, wurde 1970 sogar für den Oscar nominiert. Bulajić, der auch schon mit Kozara (1962) grossen Erfolg hatte, kann als wichtigster Vertreter des spektakulären und actionreichen Partisanenfilms bezeichnet werden.[1]
Aber nicht nur die epischen Kriegsspektakel mit berühmten Hollywoodstars zogen die Leute ins Kino. Filme wie Walter verteidigt Sarajevo (Valter brani Sarajevo, 1972) von Hajrudin Krvavac wurden zu internationalen Kassenschlagern. Die Geschichte über den Partisanen des Untergrunds erfreute sich vor allem in den kommunistischen Ländern grosser Beliebtheit und gilt noch heute als absoluter Kultfilm. Walter verteidigt Sarajevo war keines dieser grandiosen Spektakel auf dem Schlachtfeld.[1] Eher könnte man ihn als Agenten- oder Spionagefilm in der Stadt Sarajevo bezeichnen. Der Hauptdarsteller Bata Živojinović, der auch in vielen weiteren Partisanenfilmen mitspielt, wird durch Walter zum absoluten Kultstar und ist es bis heute.[5] Das Partisanenthema schaffte es in den 70ern auch ins TV. Die Serie Die Abgeschriebenen (Otpisani 1974-75) von Aleksandar Djordjević zeigt fiktive Belgrader Befreiungskämpfer und übernahmen so den Stoff der Filme.[1] Partisanenschwadron
In den 80er Jahren rückte das Partisanenthema in der Filmindustrie in den Hintergrund. Die Regisseure Mit dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) zerfiel auch der Partisanenfilm. Die Filme der 90er Jahre behandelten grösstenteils den Sezessionskrieg, griffen allerdings öfters auf die Partisanenfilme zurück. Noch heute gelten die Partisanenfilme als grösster Träger der Jugonostalgie und werden regelmässig zu Festivals in den Kinos oder als Klassiker im TV gezeigt.[8] Im Dokumentarfilm Cinema Komunisto (2010) werden nicht nur Regisseure und Schauspieler vorgestellt, sondern auch deren Erinnerungen an die Partisanenfilme beleuchtet.[5]
Anmerkungen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Iordanova, D. (Ed.), 2006. The cinema of the Balkans. Wallflower, London; New York. S. 109.ff
- ↑ Levi, P., 2007. Disintegration in frames: aesthetics and ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford University Press, Stanford, Calif. S. 64.
- ↑ Simeunović, T. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/02.pdf (Stand: 22.10.2014).
- ↑ Kosanović, D.: Srbija. In: B. Grbić (Hrsg.): Die siebte Kunst auf dem Pulverfass. 1996. Graz. S. 111.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Keller, Florian. “Als Hollywood Auf Dem Balkan Lag. ”Derbund.ch/.http://www.derbund.ch/agenda/kino/Als-Hollywood-auf-dem-Balkan-lag/story/28887985.(Stand: 13.11.14)
- ↑ Simeunović, 2010. S. 130.
- ↑ Vidan, A., 2011. Spaces of ideology in South Slavic films. In: Studies in East European Cinema, Vol. 2, Nr.2. S.173- 192.
- ↑ http://www.srf.ch/player/radio/drs2aktuell/audio/partisanenfilme-der-neue-trend-auf-dem-balkan?id=4c65972b-9763-44ab-a5bb-92dadb8554f9 (Stand: 7.11.2014)
Literaturliste (Auswahl)
- Delic, Stipe. The Battle of Sutjeska. Drama, War, 1974.
- Goulding, Daniel J. Liberated Cinema: The Yugoslav Experience, 1945-2001. 2nd ed., rev. and expanded. Bloomington: Indiana University Press, 2002.
- Iordanova, Dina. Cinema of Flames Balkan Film, Culture and the Media. London: British Film Institute, 2001.
- Iordanova, Dina, ed. The Cinema of the Balkans. London; New York: Wallflower, 2006.
- Keller, Florian. “Als Hollywood Auf Dem Balkan Lag. ”Derbund.ch/.http://www.derbund.ch/agenda/kino/Als-Hollywood-auf-dem-Balkan-lag/story/28887985.(Stand: 13.11.14)
- Krvavac, Hajrudin. Walter Defends Sarajevo. War, 1972.
- Levi, Pavle. Disintegration in Frames: Aesthetics and Ideology in the Yugoslav and Post-Yugoslav Cinema. Stanford, Calif: Stanford University Press, 2007.
- "Partisanenfilm; Der neue Trend auf dem Balkan. "http://www.srf.ch/player/radio/drs2aktuell/audio/partisanenfilme-der-neue-trend-auf-dem-balkan?id=4c65972b-9763-44ab-a5bb-92dadb8554f9 (Stand: 7.11.2014)
- Simeunović, Tatjana. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/02.pdf (Stand: 22.10.2014).
- Stoil, Michael Jon. Balkan Cinema: Evolution after the Revolution. Studies in Cinema, no. 11. Ann Arbor, MI: UMI Research Press, 1982.
- “Tito Sah Richard Burton Als Tito.” Die Zeit, August 24, 1973, sec. kultur. http://www.zeit.de/1973/35/tito-sah-richard-burton-als-tito.(Stand:12.11.14)
- Vidan, Aida, ed. In Contrast: Croatian Film Today. New York: Berghahn Books, 2012.
- Vidan Aida. Spaces of Ideology in South Slavic Film. Studies in East European Cinema . 2011;2(2).