Sozialistische Denkmalarchitektur

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Datei:Jasenovac Blume.png
Blick auf die Steinerne Blume auf der Gedenkstätte Jasenovac (Kroatien). Copyright Cyryl Jocz

Unter Sozialistischer Denkmalarchitektur (auch Denkmalkultur) Jugoslawiens werden architektonisch-bildhauerische Werke verstanden, die der Erinnerung an verschiedene Personen, Ereignisse und Folgen der Zeit des Zweiten Weltkriegs und des jugoslawischen Sozialismus dienen und in der Zeit des sozialistischen Jugoslawiens (1943/45-1992) entstanden sind. Da es nach Titos Bruch mit Stalin 1948 zu einer gesellschaftlichen Liberalisierung und einer Öffnung gegenüber dem Westen kam, suchte der junge sozialistische Staat nach einer eigenen visuellen Identität, welche sie vom Kanon der Sowjetunion abhob. Aufgrund dessen entwickelte sich ab späten 1950 Jahren vereinzelt, dann insbesondere in den nachfolgenden Jahrzehnten vermehrt eine eigene, "jugoslawische" Form des Gedenkens, die sich vom sozialistischen Realismus unterschied.[1]

Denkmalkanon des sozialistischen Jugoslawien

In Jugoslawien waren bis 1960 fast 15 000 Denkmäler (davon ca. zwei Drittel Gedenktafeln) entstanden, die vorwiegend von Gemeinden finanziert wurden. Hauptakteur des Kriegsgedenkens im öffentlichen Raum war der jugoslawische Veteranenbund.[2] Nie wieder wurden in Jugoslawien mehr Denkmäler gebaut als in den 1950-er Jahren, was angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage der ersten Nachkriegsjahre erstaunt.[3] Bis in die frühen 1960-er Jahre waren die meisten Denkmäler weder politischen, noch militärstrategischen Kriterien verpflichtet. Indem auf traditionelle Formen des Kriegsopfergedenkens zurückgegriffen und Heldenpathos ausgeklammert wurde, stand der Verlust der Menschen im Vordergrund. An einem Plenum des serbischen Veteranenbundes 1960 wurde erstmals kritisiert, dass in trauernder, statt in heldenhafter Form an den Volksbefreiungskrieg erinnert wurde.[4] Von nun an sollten die Denkmäler der staatlich gelenkten[5] und stolzen Erinnerung an den

Datei:Soz.-Denkmalarch.jpg
Copyright Cyril Jocz

Volksbefreiungskrieg und an die sozialistische Revolution dienen, welche zum Gründungsmythos Jugoslawiens wurden. Damit fanden all jene Anerkennung, die zu den Gegnern der Besatzungstruppen des Zweiten Weltkrieges gehörten. Die Sieben Offensiven (u.a. die Die Schlacht an der Neretva) wurden zum grössten Kriegsdrama und dem primären Heldenbild des Partisanenkampfes im sozialistischen Jugoslawien. Sie waren somit Teil des von Staat und Partei verordneten eingegrenzten Deutungs-und Interpretationsraumes der Vergangenheit.[6] Indem also der offiziell gefertigte Vergangenheitsentwurf den Syntagmen «Brüderlichkeit und Einheit», sowie den nicht hinterfragbaren Mythos vom «Partisanenkampf» entsprach[7], wurden zugleich den Überlebenden Deportierten, den Internierten, den Zwangsarbeitern oder den in Gefangenschaft geratenen Soldaten des Krieges nur am Rande erinnert. Dies verdeutlicht der Umgang mit den historischen Orten des Leidens und der Qualen, sprich den Orten der Deportation und Vernichtung, die sich auf jugoslawischem Territorium befunden hatten: Diese Stätten wurden bis in die 1970-er Jahre weder gepflegt noch zu Gedenkstätten umgeformt, sondern weitgehend vergessen.[8]

Neue Ansätze

Die späten 1960-er und frühen 1970-er Jahre, in denen die Dezentralisierung des Landes forciert wurde und Jugoslawien immer mehr zu einer Art Konföderation heranwuchs, brachten eine kulturologische Wende mit sich.[9] In dieser Zeit stieg das in zahlreichen Bittschriften dokumentierte Bedürfnis der bisher weitgehend vergessenen Überlebenden, insbesondere die Opfer der Ustascha und Tschetnik-Verbrechen, in der Schaffung öffentlicher Denkmäler Anerkennung für ihr erfahrenes Leid zu finden.[10] Gleichzeitig entstanden zahlreiche experimentell-symbolistische Werke, die die ideologische Doktrin des Kommunismus in den Hintergrund stellten. Die experimentellen Inspirationen bei der Gestaltung der Denkmäler übertrugen sich jedoch nie ganz auf die Gestaltung der Wohnhäuser, was größtenteils in monolithischen und grauen Wohnblöcken resultierte.[11]

Vertreter der jugoslawischen sozialistischen Denkmalarchitektur

Einer der prominentesten Vertreter der sozialistischen Denkmalarchitekten ist der mehrfach ausgezeichnete Bogdan Bogdanović, der durch seine Experimente in Architektur, Landschaftsarchitektur und Skulpturen, den Sinn von Gedächtnisorten ergründete.[12] In diesem Kontext stehen auch Zdenko Kolacio, Edvard Ravnikar und Dušan Džamonja, den sozialistischen Realismus hinter sich.[13] Obwohl das einzige Architekturjournal der Zeit, Arhitektura, mit monumentalen sowjetischen Strukturen bebildert war, ähnelten nur wenige jugoslawische Projekte diesen Modellen.[14]

Anmerkungen

  1. Ristić, Ivan: Bogdan Bogdanović. (Dissertation) Wien 2010. pdf unter: <http://othes.univie.ac.at/9957/> (Stand: 12.11.2014).
  2. Karge, Heike: Steinerne Erinnerung – versteinerte Erinnerung? Kriegsgedenken in Jugoslawien (1947-1970). Wiesbaden 2010, S. 22.
  3. ebd., S. 55.
  4. ebd., S. 58.
  5. ebd., S. 11
  6. ebd., S. 13.
  7. ebd., S. 23.
  8. Das Konzentrationslager Jadovno in Kroatien verwahrloste beispielsweise bis Mitte der 70-er Jahre. Karge, Heike: „Von Helden und Opfern“. In: AzW Architekturzentrum (Hg.): Bodgan Bogdanović – Memoria und Utopie in Tito Jugoslawien. Klagenfurt 2009, S. 34- 39, hier S. 34 f.
  9. Karge, Heike: Steinerne Erinnerung – versteinerte Erinnerung? Kriegsgedenken in Jugoslawien (1947-1970). Wiesbaden 2010, S. 26.
  10. ebd., S. 16.
  11. http://www.forumzfd.de/sites/default/files/downloads/MOnuMENTI%20deutsch.pdf#page=11 (Stand: 30. 10. 2014.)
  12. AzW Architekturzentrum (Hg.): Bodgan Bogdanović – Memoria und Utopie in Tito Jugoslawien. Klagenfurt 2009, S. 156 f.
  13. Kulić, Vladimir: „An der kollektiven Erinnerung bauen/ Building Collective Memory“. In: Vöckler, Kai (Hg.): Balkanology. Neue Architektur und urbane Phänomene in Südosteuropa/ New architecture and urban phenomena in South Eastern Europe. S AM n° 06, Basel 2008, S. 26-28. hier S. 26.
  14. Thaler, Wolfgang; Kulic, Vladimir; Mrduljas, Maroje: Modernism in-between. The mediatoty architectures of socialist Yugoslavia. Berlin 2012, S. 33.

Literaturliste (Auswahl)

Blacker, Uilleam (Hg.): Memory and Theory in Eastern Europe. New York 2013.

Blagojević, Ljiljana: Modernism in Serbia. The elusive margins of Belgrade architecture, 1919-1941. Cambridge 2003.

Courtois, Stéphane (Hg.): Das Handbuch des Kommunismus. Geschichten – Ideen – Köpfe. München 2010.

Detlef, Kleinert: Wenn Tito das wüsste. Von der kroatischen Küste bis zu den Bergen des Balkans. München 2005.

Guski, Andrea: Sozialistischer Realismus und russische Avantgarde im historischen Kontext. In: Formationen der literarischen Avantgarde, 1994, S. 40-52.

Jaworski, Rudolf (Hg.): Gedächtnisorte in Europa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003.

Karge, Heike: Der Tod als jugoslawischer lieu de memoire? Eine Skizze um Verhältnis von Tod und Kriegserinnerung in Titos Jugoslawien, in: Đorđe Tomić (Hg.): Mythos Partizan. (Dis-)Kontinuitäten der jugoslawischen Linken: Geschichte, Erinnerungen und Perspektiven Exjugoslawien. München 2013, S.150-165.

Lindstrom, Nicole: Yugonostalgia: Restorative and Reflective Nostalgia in Former Yugoslavia, in: East Central Europe = L'Europe du centre-est 2005, Vol. 32 Issue 1-2, S. 227-237.

Rhitman-Auguštin, Dunja: The Monument in the Main City Square: Constructing and Erasing Memory in Contemporary Croatia. In: Todorova, Maria (Hg.): Balkan Identities. Nation and Memory. London 2004.

Ristović, Milan: Wem gehört Geschichte? Konkurrierende Erinnerungen an Jugoslawien. In: Borodziej, Włodzimierz (Hg.): Europa und sein Osten. Geschichtskulturelle Herausforderungen, S. 105-116.

Steindoff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien, in: Rudolf Jaworski (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt a. M. 2003, S. 157-182.

Thaler, Wolfgang; Kulic, Vladimir; Mrduljas, Maroje: Modernism in-between. The mediatoty architectures of socialist Yugoslavia. Berlin 2012.

Troebst, Stefan: Erinnerungskultur- Kulturgeschichte - Geschichtsregion. Ostmitteleuropa in Europa. Stuttgart.

Troebst, Stefan: Postkommunistische Erinnerungskulturen im östlichen Europa: Bestandsaufnahme, Kategorisierung, Periodisierung. Breslau 2005.

Zimmermann, Tanja: Der Balkan zwischen Ost und West. Mediale Bilder und kulturpolitische Prägungen. Köln 2014.

Weiterführende Links

[1] (aufgerufen am 20.10.2014).