Partisanenkampf

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Denkmalarchitektur für Die Befreier Belgrads 1944 in Belgrad, Bild: VW.

Text: MK

Partisanenkämpfe fanden während dem Zweiten Weltkrieg auf den Böden von Griechenland, der Sowjetunion und Jugoslawien statt. In der sozialistischen jugoslawischen Nachkriegszeit wurde den Bewegungen eine besondere Bedeutung in der Erinnerungskultur zugeteilt.

Partisan

Ein Partisan ist ein irregulärer und bewaffneter Kämpfer. Die Bezeichnung weist auf einen kämpfenden, kriegführenden oder politisch tätigen Parteigänger hin. Sein Motiv ist keine private Bereicherung, deswegen kann er vom Piraten, Räuber und Gewaltverbrecher separiert werden.[1] Die Partisanen finden ihre Legitimität in der defensiven Verteidigung des heimatlichen Bodens gegen einen übermächtigen fremden Eroberer. Der Widerstand kann passiv sowie aktiv geschehen. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler bezeichnet den Partisan als Chamäleon, das sich ständig der neuen Situation anpasst und schwierig auf seine Erscheinungsweise festzulegen ist. Des Weiteren sei ein Partisan Meister der Tarnung, der seine Erscheinungsform beinahe nach Belieben verändern kann.[2]

Die Theorie des Partisanen

Carl Schmitt entwickelte aus der Theorie des Krieges und Feindschaft sein 1963 erschienenes Werk «Theorie des Partisanen». Neben Schmitt schrieben unter anderem Che Guevara, Mao Tse-tung, Herfried Münkler und Lenin ausführlich Theorien über das Wesen des Partisanentums.[3] Carl Schmitt geht in seiner politikwissenschaftlicher Studie davon aus, dass der Partisan ein irregulärer Kämpfer ist und sich gegen einen regulären Feind - zum Beispiel in der Figur des uniformierten Soldaten - wehrt. Diesen gegensätzlichen Kampf erkennt Schmitt erstmals im Spanischen Guerrilla-Krieg (1808 - 1813). Dort stiess zum ersten Mal ein Volk auf eine moderne, gut organisierte, reguläre Armee - die Armee von Napoleon Bonaparte. In der Theorie des Partisanen hat Carl Schmitt die Wesen des Partisanenkampfes in vier Merkmale zu bestimmen versucht: Durch seine Irregularität, seinem tellurischen Charakter, seine gesteigerte Mobilität und sein intensives politisches Engagement. Herfried Münkler sieht die Kriterien oder Merkmale nicht als Definitionen an, sondern als Einkreisung.[4] Carl Schmitt selber plädiert für den Gebrauch der Theorie des Partisanen als Hilfsmittel für wissenschaftliche Arbeiten rund um das Partisanentum.[5]

1. Grosses politisches Engagement und ihre Intensität
Der Partisan unterscheidet Freund und Feind. Den Kampf für die «gute Sache» legitimiert er für sich im Selbstverteidigungsakt.
2. Tellurischer Charakter der partisanischen Kriegsführung
Tellurisch bedeutet «die Erde betreffend, von ihr stammend»[6] und meint so viel wie die Verwurzelung mit dem Boden, die Verbindung zur ansässigen Bevölkerung und die besondere Kenntnis der speziellen Topographie des Landes. Daraus wächst die Motivation des Partisanen, den heimischen Boden mit allen Mitteln zu verteidigen. Der Partisan verteidigt ein Stück Erde, zu dem er eine heimatverbundene Beziehung hat. Trotz seiner hohen Mobilität bleibt seine Grundposition im Kampf defensiv, also aus dem Versteckten und auf vertrautem Terrain.[7]
3. Hohe Mobilität der Kämpfenden
Der Partisan kennt keinen festen Standort und kann sich deswegen schneller bewegen als etwa eine reguläre Truppe. Neben dieser physischen Mobilität sieht Carl Schmitt eine weitere Überlegenheit des Partisanen in der Mobilität des rapiden Wechsels, in seinem Auftretens ohne Uniform und in der Unberechenbarkeit seines Auftauchens. Das Untertauchen - das «Sich-für-den-Feind-unsichtbar-machen» - ist ein weiteres Merkmal der Partisanen.
4. Irregularität partisanischen Truppen
Die Partisanen bilden eine irreguläre Armee im Gegensatz zu einer regulären modernen Armee. Die Uniform wird als Beweis der Regularität genommen: Für die Partisanen ist eine Uniform ein Schussziel. Er selber befreit sich von dieser regulären Vorschrift.[8] Trotz ihrer Irregularität sind die Partisanen immer auf die Hilfe einer regulären Macht angewiesen und müssen sich auf längere Sicht am Regulären legitimieren. Carl Schmitt sieht hier nur zwei Möglichkeiten: Entweder entsteht aus eigener Kraft eine neue Regularität oder der mächtige reguläre Dritte erkennt die Partisanen an.[9]

Jugoslawische Partisanenbewegung im Zweiten Weltkrieg

Mosaik auf der Fassade des 25. Mai-Museums in Belgrad, Detail, Bild: TS.

Im Zweiten Weltkrieg kam es ab 1941 in Jugoslawien zu einer Widerstandsbewegung der PartisanInnen gegen die faschistischen Besatzer und ihre Kollaborateure: «Titos Volksbefreiungskrieg».[10]

Nach der Zerschlagung Jugoslawiens, der Kapitulation der Jugoslawischen Armee im April 1941 und der Flucht der Regierung und des Königs ins Exil nach Grossbritannien, besetzten das NS-Deutschland und seine Bündnispartner Italien, Ungarn, Albanien und Bulgarien das Land Jugoslawien und teilten es auf. Dem neu gegründeten Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) wurden 40% des Territoriums zugeteilt. Als Reaktion darauf begann drei Monate später die antifaschistische Widerstandsbewegung der PartisanInnen: Am 4. Juli 1941 rief das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) zum Widerstand gegen die Besatzungsmächte auf und die kommunistisch geführte Volksbefreiungsarmee der PartisanInnen begann mit bewaffneten Aktionen gegen die Okkupationsmächte zu kämpfen. Zwischen der von der KPJ organisierten Partisaneneinheit, den Besatzungsmächten, den kollaborierenden Ustaschas und Tschetniks und weiteren Gruppierungen begann ein militärisches Ringen um die Vorherrschaft im Jugoslawischen Raum. Das oberste Ziel der KPJ war die Befreiung der Völker Jugoslawiens. Die Strategie der KPJ war, möglichst viele Menschen der Bevölkerung zu einer Volksfront gegen die Besatzer und Kollaborateure zu vereinen. Die PartisanInnen sollten Attentate und Sabotageakte durchführen, Kampfverbände aufstellen und so die Bevölkerung schützen.[11]

Der bewaffnete Kampf der PartisanInnen lässt sich grob in drei Phasen gliedern: In der ersten Phase 1941 dominierten Sabotageakte, Anschläge und kleinere Operationen von verschiedenen wenig politischen Gruppierungen. Im September 1941 wurden diese zur Partisanenarmee Jugoslawiens (Partizanska vojska Jugoslavije) zusammengefasst. Die rund 15’000 KämpferInnen lagen unter dem Oberbefehl von Parteichef Josip Broz Tito und erlebten im Sommer und Herbst 1941, ausgelöst durch Niederlagen, eine erste Krise der Bewegung. Während der zweiten Phase des Partisanenkriegs (1942 - 44) kämpften neben den regional gebunden Einheiten neu proletarische Brigaden gegen die grossen Offensiven der Achsenmächte (zum Beispiel 1942 Operation Schwarz: Schlacht an der Sutjeska oder 1943 Operation Weiss: Schlacht an der Neretva) Im November 1942 kam es zur Umbenennung in Volksbefreiungsarmee (Narodnooslobodilačka vojska, NOV). Die Volksbefreiungsarmee wurde in der dritten Kriegsphase (1944 - 45) in Jugoslawische Armee (Jugoslovenska armija, JA) umbenannt. Gleichzeitig begann eine frontale Kriegsführung gegen die feindlichen Truppen. Dieses Vorgehen erwies sich schliesslich als erfolgreich: Die Bewegung mit der anfänglich kleinen irregulären Volksbefreiungsarmee wuchs auf über 300'000 PartisanInnen an. Ihr gelang es 1944/45 mit Unterstützung der regulären Roten Armee die Okkupations- und Kollaborationsregime in Jugoslawien zu stürzen. Parallel dazu baute die KPJ neue Herrschaftsstrukturen auf, so dass ihrer Machtergreifung nach der Besatzung nichts im Wege stand.[11]

Carl Schmitt beschreibt die auch intern stattgefunden Kämpfe der Partisanen am Beispiel Jugoslawiens: «Die Partisanenkämpfe in Jugoslawien 1941/45 waren nicht nur gemeinsame nationale Verteidigung gegen die fremde Eroberer, sondern ebenso sehr brutale interne Kämpfe zwischen den kommunistischen und den monarchistischen Partisanen. In diesem Bruderkampf hat der kommunistische Partisanenführer Tito seinen inner-jugoslawischen Feind, den von den Engländern unterstützen General Mihailovitch, mit Stalins und Englands Hilfe besiegt und vernichtet.»[12]

Erinnerung an die Partisanenbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Volksbefreiungsbewegung im Zweiten Weltkrieg mit Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit wurde als gerechten Krieg gegen die «Faschisten» und mit dem Slogan «Brüderlichkeit und Einheit» erinnert. Zu den gemeinsamen Kriegszielen hat die Wiederherstellung des Staates Jugoslawiens und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung unter der Führung der KPJ gehört.[13]

Die Partisanenbewegung war im sozialistischen Jugoslawien ein beliebtes Sujet in Literatur, Malerei, Film und in weiteren künstlerischen Werken wie etwa im Kindercomic (z.B. Mirko und Slavko)[14] und hat sich zum Teil bis zu einem Kernelement der jugoslawischen Erinnerungskultur kultiviert. In der Erinnerungshierarchie stand direkt nach Tito eine ausgewählte Gruppe von gefallenen oder noch lebenden PartisanInnen, die mit der Ernennung zu «Nationalhelden» und mit Büsten geehrt und erinnert wurde. In Sarajevo etwa war Vladimir «Valter» Perić einer von 61 Männer und Frauen mit diesem Heldenstatus. Gerade in der Hierarchie darunter standen die gefallenen PartisanInnen und schliesslich die «Opfer des Faschistischen Terrors».[15] Die Erinnerung an sie fand ihren besten Ausdruck in der jugoslawischen sozialistischen Denkmalarchitektur (z.B. das Denkmal der Revolution in Podgarić).

Die Jugoslawischen Partisanen wurden oft als Helden dargestellt, die den Feind erfolgreich bekämpften und zurückdrängten. Diese Erinnerungskultur findet sich vor allem in zahlreichen Partisanenfilmen wieder, wie etwa in den Filmen Die Schlacht an der Neretva (Bitka na Neretvi, 1969) oder Valter verteidigt Sarajevo (Valter brani Sarajevo, 1972). Die Brücke an der Neretva wurde zum «lieu de mémoire»: Im kollektiven Gedächtnis wurde an diesen Ort als wichtigen militärischer Erfolg erinnert. Im jugoslawischen Partisanenfilm findet sich ausserdem der tellurischen Kampf auf «eigenem» Jugoslawischen Terrain wieder: So ist z.B. das Motiv der «Kenntnis des Terrains» durch die PartisanInnen und ihr Bodenkontakt ein zentrales im Film Kozara (Kozara, 1962), wo sich die PartisanInnen oft in die Obhut der Natur begeben; oder im Film Marsch über den Igman (Igmanski marš, 1983), wo die PartisanInnen den Berg Igman überqueren, um den Feinden zu entkommen. Die Filme zeigen ebenfalls die Charakteristika der Irregularität, denn die jugoslawischen PartisanInnen kommen aus dem «einfachen» Volk. Ihre Einbindung ist fliessend und sie sind sehr wandelbar - mal sind sie mehr Vertreter des Volkes, mal mehr PartisanInnen. Zahlreiche Filmfiguren treten aus der Masse des Volkes hervor und wechseln in die Partisanentruppen.[16] Dieses charakteristische Merkmal lässt sich z.B. im Film Three (Tri, 1965) am Beispiel der von Velimir «Bata» Živojinović gespielten Figur Miloš Bojanić festmachen. Bojanić entwickelt sich vom einfachen, unauffälligen Studenten zum tapferen und furchtlosen Partisanenhelden.

Anmerkungen

  1. Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen: Zwischenbemerkungen zum Begriff des Politischen. Berlin 1975, S. 20 ff.
  2. Münkler, Herfried: Der Partisan: Theorie, Strategie, Gestalt. Opladen 1990, S. 9.
  3. Jakiša, Miranda: Der «tellurische Charakter» des Partisanengenres: Jugoslavische Topo-Graphie in Film und Literatur. In: Topographien pluraler Kulturen. Europa vom Osten gesehen. Kilchmann, Esther Kilchmann. Pflitsch, Andreas. Thun-Hohenstein, Franziska. Berlin 2011, S. 211.
  4. Münkler, Der Partisan, S. 9.
  5. Schickel, Joachim: Gespräche mit Carl Schmitt. Berlin 1993, S.10.
  6. http://de.wiktionary.org/wiki/tellurisch (Stand: 10.11.2014).
  7. Schmitt, Theorie des Partisanen, S. 93.
  8. Schickel, Gespräche mit Carl Schmitt, S. 11ff.
  9. Schmitt, Theorie des Partisanen, S. 78.
  10. Calic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München 2010, S. 147.
  11. 11,0 11,1 Wiesinger, Barbara N.: Partisaninnen: Widerstand in Jugoslawien, 1941-1945. Wien 2008, S. 19-39.
  12. Schmitt, Theorie des Partisanen, S. 59.
  13. Wiesinger, Partisanninen, S. 16.
  14. Bašić, Natalija: Krieg als Abenteuer: Feindbilder und Gewalt aus der Perspektive ex-jugoslawischer Soldaten 1991 - 1995. Giessen 2004, S. 145.
  15. Donia, Robert J.: Sarajevo: A biography. Ann Arbor 2006, S. 38f.
  16. Jakiša, Der «tellurische Charakter» des Partisanengenres, S. 211ff.

Literaturliste (Auswahl)

Calic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München 2010.

Donia, Robert J.: Sarajevo: A biography. Ann Arbor 2006.

Jakiša, Miranda: Der «tellurische Charakter» des Partisanengenres: Jugoslavische Topo-Graphie in Film und Literatur. In: Topographien pluraler Kulturen. Europa vom Osten gesehen. Kilchmann, Esther Kilchmann. Pflitsch, Andreas. Thun-Hohenstein, Franziska. Berlin 2011. S. 207-223.

Münkler, Herfried: Der Partisan: Theorie, Strategie, Gestalt. Opladen 1990.

Schickel, Joachim: Gespräche mit Carl Schmitt. Berlin 1993.

Schmider, Klaus: Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944. Hamburg 2002.

Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen: Zwischenbemerkungen zum Begriff des Politischen, Berlin 1975.

Sunddhaussen, Holm: Jugoslawien und seine Nachfolgerstaaten 1943-2011: Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Wien 2012.

Wiesinger, Barbara: Partisaninnen: Widerstand in Jugoslawien, 1941-1945. Wien 2008.

http://de.wikipedia.org/wiki/Partisan (Stand: 10.11.2014).