Looking for YU

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Looking for YU

Von der politischen Landkarte verschwand Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) vor knapp 25 Jahren. Die kulturelle Topografie und das Zeichensystem einer gemeinsamen Identität dieses Vielvölkerstaates hingegen, die sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausgebildet hatten, blieben bis heute bestehen. Immer noch finden sich in den jugoslawischen Nachfolgestaaten zahlreiche Denkmäler, Museen und andere Räume, an denen durch die Erinnerung an Ereignisse und Persönlichkeiten das gesellschaftliche Gedächtnis konstruiert wurde.

Mit Themen zur Rekonstruktion der gemeinsamen jugoslawischen Geschichte und Kultur beschäftigen wir uns während des Frühlingssemesters 2014 an der Universität Basel im Rahmen der Übung «Looking for YU». Anschliessend an die Lehrveranstaltung fand im Juni 2014 die gleichnamige Studienreise des Fachbereichs Osteuropa der Universität Basel statt, die uns nach Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina führte. Die Resultate dieser Zeitreise und Spurensuche nach (post)jugoslawischen Erinnerungsorten sind in dieser Datenbank zusammengetragen.

Zagreb

Zu Beginn unserer Reise besuchten wie die kroatische Hauptstadt Zagrebs. Im Museum der Stadt Zagreb hatten wir eine Führung mit dem Schwerpunkt auf die Geschichte Zagrebs im 20. Jahrhundert. Anschliessen begaben wir uns auf einen Stadtrundgang durch die Innenstadt: Anhand der wechselnden Benennungen des Trg bana Jelačića, des Trg hrvatskih velikana, trg žrtava fašizma, der ulica Andrije Hebranga und des trg maršala Tita versuchten wir die wechselvolle Geschichte und die vielfachen Deutungen dieser Orte im Laufe des 20. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Ein Ausflug in das Bauerndorf Kumrovec in Zagorje brachte uns – unter fachkundiger Führung des Historikers Tvrtko Jakovina – die Bedeutung des Geburtshauses des langjährigen jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Broz Tito als Erinnerungsort näher. Auf der Burgruine Medvedgrad und auf dem Friedhof Mirogoj beschäftigten wir uns mit der Inszenierung kroatischer Identität unter der Präsidentschaft von Franjo Tuđman. Im Park Dotrščina wurden wir vom Aktivisten Saša Šimpraga durch eine Gedenkstätte an die Opfer des Ustaša-Terrors im Zweiten Weltkrieg geführt, die, nachdem sie in den 1990er Jahren beinahe in Vergessenheit geriet, heute neu belebt werden soll.

Belgrad

Auf der Durchreise nach Belgrad besuchten das Denkmal der Revolution in Podgaric in Moslavina sowie die Gedenkstätte beim ehemaligen Ustaša-Konzentrationslager im slawonischen Jasenovac. Die serbische Hauptstadt beherbergt das Tito-Mausoleum im Kuća cveća, das heute als Erinnerungsort und Museum dient. Der Soziologe Todor Kuljić erläuterte uns seiner Überlegungen zur Erinnerungskultur im postjugoslawischen Raum. Auch mit dem Filmemacher Želimir Žilnik ergab sich ein interessantes Gespräch über die Rolle des jugoslawischen Films als identitätsstiftenden Faktor. Ebenfalls besuchten wir den Jüdischen Friedhof in Belgrad. Als architektonische Anschauungsbeispiele und Zeugen der jugoslawischen sozialistischen Moderne besichtigten wir das Dom omladine sowie das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Staro sajmište, das Hotel Jugoslavija, das Regierungsgebäude SIV sowie das Studentski dom in der Satellitenstadt Novi Beograd.

Sarajevo

Unterwegs nach Sarajevo legten wir in Višegrad einen Zwischenhalt ein, wo das noch unvollendete Bauprojekt Kamengrad des serbischen Regisseurs Emir Kusturica eine eigenwillige Interpretation der jugoslawischen Geschichte darstellt. Ein Stadtrundgang durch Bosniens Kapitale belebte die Erinnerung an die Multikulturalität dieser Stadt. In einem Workshop zeigte uns der Schriftsteller Nenad Veličković auf, wie die nationalistische Politik im gegenwärtigen Bosnien die Gesellschaft vor allem im Bereich der Bildung auseinanderdividiert. Als Bindeglied zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der jugoslawischen Filmindustrie diente uns die Figur des Valter. Gespräch mit Nebojša Jovanović. Jablanica, Jajce, Tunnel-Museum als Beispiel, wie in Sarajevo an die Belagerung der Stadt zwischen 1992 und 1995 erinnert wird.

Looking back to YU

Die Reise brachte uns eine Vielzahl von Eindrücken. Nachträglich bleibt die Erkenntnis, wie stark sowohl die jugoslawische als auch die postjugoslawischen Gesellschaften von Geschichte – besser gesagt: durch die Verklärung eines scheinbar festgefügten Narrativs und die Tabuisierung vieler Widersprüche – geprägt sind und waren und welchen Einfluss diese oft völlig konträren Geschichtsbilder auf den Wandel der Topographien von Städten und Landschaften, aber auch auf den Alltag der Menschen entfalten. Dieser Prozess erscheint im europäischen Vergleich keineswegs als ein singuläres Phänomen, doch werfen seine spezifischen Auswirkungen ein erhellendes Bild auf Geschichte und Gegenwart dieser eigentümlichen Region.[1]

Anmerkungen

  1. Ulla Hoffmann: Wo Jugoslawiens Staatschef am Schraubstock stand. In: IHK – Wirtschaftsmagazin Rhein-Neckar 7/8. 2008, S. 41–42.


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