Erinnerungsort

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Text: JG

Ein Erinnerungsort wird auch Gedächtnisort oder lieu de mémoire gennant. Solche Orte erinnern an wichtige Ereignisse oder Personen der Vergangenheit und sind emotional aufgeladen. Sie sind wichtiger Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses.[1] Es gibt mehrere verschiedene Typen von Gedächtnisorten. Unterschieden wird zwischen materiellen Orten, wie das Denkmal in Podgarić, welches in Andenken an die Revolution der Bevölkerung in Moslawina errichtet wurde. Weiter gibt es funktionale Orte, beispielsweise Autobiographien, in welchen durch das Wiedergeben des Lebens einer berühmten Person erinnert wird. Als dritte Kategorie kommen symbolische Orte hinzu, zum Beispiel Jahrestage, wie der 25. Mai, der Tag der Jugend in Jugoslawien, an welchem alljährlich Stafettenübergaben stattfanden.

Lieu de mémoire

Der französische Historiker Pierre Nora (*1931) untersucht in seinem Werk «lieu de mémoire» verschiedene Orte, die für eine Gruppe oder Gesellschaft als identitätsstiftend wirken.[2] Nora vertieft den Begriff des Erinnerungsortes und ergänzt vier weitere verschiedene Typen von europäischen Erinnerungsorten.[3] Neben wissenschaftlichen, künstlerischen oder geographischen Orten unterscheidet er noch entscheidende Orte, an welchen relevante militärische Erfolge erreicht wurden. Ein solcher Ort ist Jablanica in Bosnien, wo die Partisanen bei der Schlacht an der Neretva den Achsenmächten entkamen. Jajce, in welchem an der AVNOJ die Zukunft Jugoslawiens beschlossen wurde, dient als Beispiel eines «Gründungs-»Ortes. Histographische Orte äußern sich anhand von Schulbüchern oder Museen, beispielsweise das Museum der Stadt Zagreb, das Museum in Jasenovac oder das Tunnel-Museum in Sarajevo. Diese verschiedenen Orte sind wandelbar und können je nach Legitimationsbedürfnis einer Körperschaft abgeändert werden. Exemplarisch dafür steht die Burgruine Medvedgrad, welche von Franjo Tuđman zu einem identitätsschaffenden Ort stilisiert wurde. All diese Erinnerungsorte besitzen eine symbolische Bedeutung und werden ins kollektive Gedächtnis integriert, sofern sie von einer signifikanten Gruppe als solche Orte empfunden und akzeptiert werden.[4]

Anmerkungen

  1. Grosse-Kracht, Klaus: Gedächtnis und Geschichte: Maruice Halbwachs-Pierre Nora. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Jg. 46 (1995), S. 21-31.
  2. Nora, Pierre: les lieux de mémoire. Paris 1984.
  3. Kühberger, Christoph/Sedmak, Clemens (Hg.): Europäische Geschichtskultur- Europäische Geschichtspolitik von Erfinden, Entdecken, Erarbeiten der Bedeutung von Erinnerung und Geschichte für das Verständnis und Selbstverständnis Europas. Innsbruck 2009.
  4. Nora, Pierre: Comment écrire l’histoire de France? In: Nora, Pierre: Les lieux de mémoire, Bd. 3. Paris 1992.


Literaturliste (Auswahl)

Bock, Petra/Wolfrum, Edgar (Hg.): Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen 1999.

Grünfelder, Anna Maria/Lalić, Daniel. Der kroatische „Altar des Vaterlandes“ in Medvedgrad. In: Bahlcke, Joachim/Rohdewald, Stefan/Wünsch, Thomas (Hg.). Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden Zugriff. Berlin 2013, S. 430-438.

Steindorff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien. In: Jaworski, Rudolf, Kusber, Jan (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003, S. 157-182.