Vergangenheitspolitik

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Text: JG

Die Vergangenheitspolitik ist eine politisch motivierte Form der Aufarbeitung vergangener Ereignisse. Es werden eigene, historische Begebenheiten rekonstruiert, welche beispielweise während eines diktatorischen Regimes stattgefunden haben. In Jugoslawien wurde intensiv Geschichtspolitik betrieben. Es wurden zum Beispiel Festtage und Riten geschaffen und zahlreiche Denkmäler errichtet, um so eine Legitimationsgrundlage des Staates und eine Identität zu kreieren, mit denen sich alle angehörigen Teilstaaten und Völker identifizieren können.[1] Das sozialistische Jugoslawien ist aus Staaten hervorgegangen, die keine lange gemeinsame Vergangenheit hatten. So musste einerseits die Existenz Jugoslawiens fundiert werden und andererseits musste die Kommunistische Partei Jugoslawiens seine im Krieg übernommene Herrschaft legitimieren. Nach 1990 wurde von den nationalistischen Parteien der Nachfolgestaaten Jugoslawiens wiederum nach Erinnerungen gesucht, welche sie bewusst von den anderen Völker abgrenzen. Die Vergangenheitspolitik bestimmt wie mit der Vergangenheit umgegangen wird und an was wie erinnert wird. So bestimmt sie wie geschichtliche Momente kollektiv wahrgenommen werden. Je nach politischem System eines Staates werden historische Ereignisse verschiedenartig gedeutet, betont, tabuisiert oder vergessen.[2] So kommt es beispielsweise zwischen Serbien und Kroatien zu einem Deutungskampf der Geschehnisse in Bleiburg oder Jasenovac.

Anmerkungen

  1. Höpken, Wolfgang: Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat: Jugoslawien 1944-1991. In: Bock, Petra und Wolfrum, Edgar: Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen 1999. S.210-243.
  2. Radonic, Ljiljana: Krieg um die Erinnerung. Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. Wien 2009.


Literaturliste (Auswahl)

Kuljić, Todor: Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum. Berlin 2010.