Jasenovac: Unterschied zwischen den Versionen

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Vor der Befreiung des Lagers durch jugoslawische Partisaneneinheiten im Mai 1945 zerstörten die Ustaša systematisch alle Unterlagen. Da auch die meisten Urkunden verbrannt wurden war es schon zur Zeit Jugoslawiens schwierig gewesen, die Opferzahl abzuschätzen. Unter dem Regime Titos gab das Nationalkomitee zur Untersuchung der Verbrechen der Besatzungstruppen und ihrer Kollaborateuren in ihrem Bericht vom 15. November 1945 700'000 Opfer in Jasenovac an. Die Täter und Opfer wurden damals offiziell noch nicht den einzelnen Nationalitäten zugeordnet. Stattdessen wurden in offiziellen Verlautbarungen die Täter als Faschisten, die Opfer als Kommunisten und Antifaschisten bezeichnet. Denn unter dem Staatsmotto [[„Brüderlichkeit und Einigkeit“]] musste das Ereignis entweder möglichst schnell vergessen werden oder den nationalen und ethnischen Konflikt dahinter vertuscht werden, um so die Toleranz in dem Vielvölkerkonstrukt Jugoslawien zu stärken. 1965 errichtete der Künstler [[Bogdan Bogdanović]] auf Druck der Hinterbliebenen Opferangehörigen das Denkmal  [[Die steinerne Blume]] (Kameni cvijet , 1966), ein Museum und ein Erinnerungspark. Das Museum eröffnete ihre erste Ausstellung 1968. Zu jugoslawischen Zeiten, war das Museum sehr darauf bedacht, den Horror dazustellen und die Besucher möglichst zu schocken. Für Schulklassen war ein Besuch in Jasenovac damals obligatorisch, und vielen Kindern wurde schlecht durch die brutale Ausstellung. Es wurden Skelette, Bilder von Gewaltakten oder brutale Mordwerkzeuge gezeigt.  
 
Vor der Befreiung des Lagers durch jugoslawische Partisaneneinheiten im Mai 1945 zerstörten die Ustaša systematisch alle Unterlagen. Da auch die meisten Urkunden verbrannt wurden war es schon zur Zeit Jugoslawiens schwierig gewesen, die Opferzahl abzuschätzen. Unter dem Regime Titos gab das Nationalkomitee zur Untersuchung der Verbrechen der Besatzungstruppen und ihrer Kollaborateuren in ihrem Bericht vom 15. November 1945 700'000 Opfer in Jasenovac an. Die Täter und Opfer wurden damals offiziell noch nicht den einzelnen Nationalitäten zugeordnet. Stattdessen wurden in offiziellen Verlautbarungen die Täter als Faschisten, die Opfer als Kommunisten und Antifaschisten bezeichnet. Denn unter dem Staatsmotto [[„Brüderlichkeit und Einigkeit“]] musste das Ereignis entweder möglichst schnell vergessen werden oder den nationalen und ethnischen Konflikt dahinter vertuscht werden, um so die Toleranz in dem Vielvölkerkonstrukt Jugoslawien zu stärken. 1965 errichtete der Künstler [[Bogdan Bogdanović]] auf Druck der Hinterbliebenen Opferangehörigen das Denkmal  [[Die steinerne Blume]] (Kameni cvijet , 1966), ein Museum und ein Erinnerungspark. Das Museum eröffnete ihre erste Ausstellung 1968. Zu jugoslawischen Zeiten, war das Museum sehr darauf bedacht, den Horror dazustellen und die Besucher möglichst zu schocken. Für Schulklassen war ein Besuch in Jasenovac damals obligatorisch, und vielen Kindern wurde schlecht durch die brutale Ausstellung. Es wurden Skelette, Bilder von Gewaltakten oder brutale Mordwerkzeuge gezeigt.  
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==Jasenovac nach dem Zerfall Jugoslawiens==
 
==Jasenovac nach dem Zerfall Jugoslawiens==

Version vom 28. Oktober 2014, 16:11 Uhr

In der Nähe des Ortes Jasenovac in Zentralkroatien befand sich zwischen 1941 und 1945 das grösste Arbeits- und Vernichtungslager auf dem Gebiet des «Unabhängigen Staats Kroatien» („Nezavisna Država Hrvatska“, NDH). Im Lagerkomplex wurden Regimegegner verschiedener Nationalität, sowie Serben, Juden, Roma interniert und planmässig ermordet.

Jasenovac 1941-45

Das Konzentrationslager Jasenovac wurde am 21. August 1941 gegründet und streckte sich über 210 Quadratkilometer entlang des Flusses Sava. Die Zeitungen der Ustaša verkündeten am 23. August 1941 die Öffnung der zwei ersten Gefangenenbarracken bei den Dörfer Bročice und Krapje. Es wurde behauptet, dass jene der Trockenlegung der Sumpfgebiete Lonjsko Polje dienten. In der Wahrheit war dies jedoch die Gründung Jasenovacs, genauer gesagt des Lagers II, genannt Bročice Versajev, und des Lagers XI, Krapje. In jene zwei Camps wurden die ersten Gefangenen aus den Ustaša Lagern Slano und Jadovno. Zu Beginn arbeiteten die Gefangenen auch wirklich an den Teichen, aber unter härtesten Bedingungen. Jene welche nicht auf Grund Erschöpfung gestorben sind und sofort in Teichen begraben wurden, sind dann bei der Liquidation des Camps umgebracht worden. Im November 1941 wurde das Camp III, Ciglana (Ziegelei), eröffnet, welches später zum zentralen Hauptlager wurde. Es lag unterhalb des Dorfes Jasenovac in dem Bereich des Industriekomplex,es wo früher die Ziegeleiproduktion war. Drei Seiten des Camps waren umgeben von einer fünf Meter hohen Wand, in welche mehrere Wachtürme eingebaut wurden. Vor der Wand waren drei Linien Stacheldraht befestigt, die an manchen Stellen sogar elektrifiziert wurden. Die Vierte Seite ging auf den Fluss Sava hinaus. Camp IV, Gerberei, war in dem Dorf Jasenovac platziert und die Häftlinge mussten in der Gerberei arbeiten. In dem Dorf Ustica, bei dem Delta der Una und der Sava, befand sich das Zigeunerlager, in dem vor allem Roma umgebracht wurden. Die Dörfer Mlaka und Jablanac wurden in Sammellager für Frauen und Kinder umgewandelt. Vor allem das Lager Stara Gradiška wurde bekannt als ein Lager des Mordes und der Folter, in dem vor allem an Frauen und Kindern Verbrechen begangen wurden. Die zwei Hauptgründe für den ausgewählten Ort für das Konzentrationslager, waren die umliegenden Flüsse, die eine Flucht erschwerten sowie die anliegende Bahnlinie von Belgrad nach Zagreb, welche für den Transport von Gefangenen und Gütern verwendet wurde. In dem Konzentrationslager Jasenovac gab es keine Gaskammern, das heisst die Gefangenen wurden erhängt, erschlagen, erstochen, erschossen, verbrannt oder ertränkt.

Erinnerungskultur im sozialistischen Jugoslawiens

Vor der Befreiung des Lagers durch jugoslawische Partisaneneinheiten im Mai 1945 zerstörten die Ustaša systematisch alle Unterlagen. Da auch die meisten Urkunden verbrannt wurden war es schon zur Zeit Jugoslawiens schwierig gewesen, die Opferzahl abzuschätzen. Unter dem Regime Titos gab das Nationalkomitee zur Untersuchung der Verbrechen der Besatzungstruppen und ihrer Kollaborateuren in ihrem Bericht vom 15. November 1945 700'000 Opfer in Jasenovac an. Die Täter und Opfer wurden damals offiziell noch nicht den einzelnen Nationalitäten zugeordnet. Stattdessen wurden in offiziellen Verlautbarungen die Täter als Faschisten, die Opfer als Kommunisten und Antifaschisten bezeichnet. Denn unter dem Staatsmotto „Brüderlichkeit und Einigkeit“ musste das Ereignis entweder möglichst schnell vergessen werden oder den nationalen und ethnischen Konflikt dahinter vertuscht werden, um so die Toleranz in dem Vielvölkerkonstrukt Jugoslawien zu stärken. 1965 errichtete der Künstler Bogdan Bogdanović auf Druck der Hinterbliebenen Opferangehörigen das Denkmal Die steinerne Blume (Kameni cvijet , 1966), ein Museum und ein Erinnerungspark. Das Museum eröffnete ihre erste Ausstellung 1968. Zu jugoslawischen Zeiten, war das Museum sehr darauf bedacht, den Horror dazustellen und die Besucher möglichst zu schocken. Für Schulklassen war ein Besuch in Jasenovac damals obligatorisch, und vielen Kindern wurde schlecht durch die brutale Ausstellung. Es wurden Skelette, Bilder von Gewaltakten oder brutale Mordwerkzeuge gezeigt. Jasenovac-Memorial-Museum.jpg

Jasenovac nach dem Zerfall Jugoslawiens

Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens wurde das Budget für den Unterhalt von Jasenovac von der kroatischen Behörde stark gekürzt. und die Gegend zu einem Naturschutzgebiet erklärt, wahrscheinlich um die Aufmerksamkeit von den Opfern zu der Pflanzen- und Tierwelt zu drehen. Damals entstand eine grosse Diskussion, da man weder die Mordwerkzeuge noch das Alter und Nationalität der Opfer veröffentlichen wollte. Im September 1991 drang die kroatische Armee gewaltsam auf das Gelände ein, das Museum stellte den Betrieb ein und die steinerne Blume wurde durch Artilleriebeschuss beschädigt. stahlen Ausstellungsobjekte. 2001 kamen die Ausstellungsobjekte wieder zurück nach Kroatien. Auch heute noch wird das Jasenovac Memorial von vielen als kommunistisch degradiert und wird sowohl von serbischen als auch kroatischen Rechtsextremen angefeindet. Im Gegensatz zu jugoslawischen Zeiten ist der Besuch von Schulklassen nicht mehr obligatorisch. Das Museum legt den Fokus in der aktuellen Ausstellung anstatt auf die Täter mehr auf die individuellen Opfer. Zudem ist seit 2010 eine online Datenbank mit Namen von ca. 83'000 Opfern. Unter Franjo Tuđman wurde, versucht das Ausmass des Verbrechens zu vermindern und mit den Vergehen der Partisanen und den Četniks zu relativieren. Die offiziellen Opferzahlen wurden durch Berichte und Statements auf „nur“ noch 20'000 – 50'000 Tote verkleinert Zum Teil wurde sogar behauptet, Jasenovac sei gar kein Vernichtungslager gewesen, sondern „nur“ ein Arbeitslager. Es wird explizit erwähnt, dass für die Taten nicht das kroatische Volk verantwortlich gemacht werden kann, sondern die Ustaša, die Besatzungsmächte, brutale Juden und die Kommunisten.* Die Serben werden auf der Opferseite in Kroatien nicht besonders aufgelistet, jedoch in Serbien stellt man sich klar als Hauptopfergruppe dieses Terrors dar. Die kroatische Regierung legt dafür den Fokus auf Bleiburg, und sieht dies als grösstes Verbrechen an dem kroatischen Volk. So versuchten die verschiedenen, neuen Nationalstaaten sich von aller Schuld zu befreien und als Opfer der Geschehnisse darzustellen. Tuđman hatte auch die, bei den Opferangehörigen auf Protest stossende Idee, aus Jasenovac eine nationale Versöhnungsstätte zu errichten, als Erinnerung an alle kroatischen Kriegsopfer. Erst nach Tuđmans Tod und den Wendewahlen 2000, wurde unter Präsident Stjepan Mesić der Umgang mit Jasenovac verändert, es wurde versucht den Ereignissen in Jasenovac gleich viel Aufmerksamkeit wie jenen in Bleiburg zu schenken und die Ustaša Verbrechen wurden erstmals an einer offiziellen Rede vom Präsidenten erwähnt. Die Opferzahlen in Jasenovac wurden wieder ein wenig angehoben, auf ca. 70’000-100'000 Tote.

Jasenovac und Vergangenheitspolitik

Jasenovac ist ein Paradebeispiel für das Veranschaulichen der Vergangenheitspolitik Ex-Jugoslawiens. Es lässt sich aufzeigen, wie unterschiedlich ein Ereignis zu den verschiedenen Zeiten, in den unterschiedlichen Staatsformen und Regionen, unter den von verschiedenen Ideologien geprägten Bevölkerung und Politiker verstanden, gewertet und benutzt wird.


Anmerkungen

Literatur

Karge, Heike: Steinerne Erinnerung – versteinerte Erinnerung? : Kriegsgedenken in Jugoslawien (1947-1970). In: Balkanologische Veröffentlichungen, 49. Wiesbaden 2010.

Radonic, Ljiljana: Krieg um die Erinnerung : Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. Frankfurt am Main 2010.

weiterführende Links

Jasenovac [1] (26. Okt. 14)

Jasenovac Memorial Site [2] (26. Okt. 14)