Dörfer in Flammen

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Text: VW

Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore)[1] ist ein serbisches Kriegsfilmdrama aus dem Jahr 1996. Regie führte Srđan Dragojević der auch am Drehbuch mitwirkte. Angesiedelt ist der Film hauptsächlich in ländlichen Regionen Bosniens zur Zeit des Bosnienkrieges. Der Film feierte nicht nur im Ausland Erfolge sondern ist auch der erste serbische Film nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens der in den Nachbarländern erfolgreich in den Kinos lief.[2] Dem zu trotz, löst der Film Kontroversen aus und wird nach wie vor in Kroatien und Bosnien als Provokation wegen seiner «pro-serbischen» Haltung angesehen. Das komplexe und vielschichtige Werk ist ein Versuch den Bosnienkrieg zu interpretieren. Nicht nur werden populäre Motive, Klischees und Stereotypen zitiert, sondern es finden sich ebenso Zitate aus dem jugoslawischen Partisanenfilm oder amerikanischen Western sowie Vietnamkriegsfilmen.[3] Zentrales Hauptsymbol des Filmes ist der «Brüderlichkeit und Einheit» (Bratstvo i jedinstvo) Tunnel in dem der Hauptteil des Filmes spielt.

Synopsis

Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Idyll und Flucht.
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Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Kriegsbilder und Rockmusik.
Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Ästhetik und Krieg.
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Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Deklaration und Konflikt.

Aus der Sicht von Milan (Dragan Bjelogrlić) wird die Geschichte einer Freundschaft geschildert die sich von einer Freundschaft zu einer Feindschaft aufgrund des Bosnienkrieges wandelt. Der junge Serbe liegt zusammen mit einem Kameraden schwer verwundet in einem Belgrader Spital. Der Film springt nun in mehrere historische Zeitframes zurück. Zum einen wird die Kindheit von Milan und dem Bosniake [4] Halil (Nikola Pejaković) um 1980 (Titos Tod) gezeigt, ihre gemeinsamen Jugendjahre (gemeinsame Autowerkstatt) und schlussendlich die Zeit des Bosnienkrieges (1992) veranschaulicht. Der Film verfolgt Milan als Mitglied einer serbischen Paramilitäreinheit wie diese als Referenz zum Filmtitel, Dörfer plündern und in Flammen setzten. Bei einem Überraschungsangriff in der Nacht muss die Einheit fliehen und findet Schutz in einem Tunnel der sich in einer der vielen Flashbacks als jugoslawischer «Brüderlichkeit und Einheit» Tunnel herausstellt.

«Brüderlichkeit und Einheit» Tunnel

Dieser Tunnel wird zum eigentlichen Hauptstrang des Filmes. Alle Flashbacks referenzieren in irgend einer Weise auf den «Brüderlichkeit und Einheit» Tunnel. Grossartig in Szene gesetzt z.B zu Beginn des Filmes [5] wo dem Zuschauer die Eröffnung des Tunnels à la einer Propaganda – Nachrichtensendung gezeigt wird. Demgegenüber wird durch die Haupthandlung wiederum klar, dass der Tunnel der Zagreb und Belgrad hätte verbinden sollen, gar nie wirklich eröffnet wurde. Die Kinder Halil und Milan haben eine seltsame Ambivalenz zum Tunnel. Zum einen wird das Betreten des Tunnels zur Mutprobe, demgegenüber löst der heruntergekommene Tunnel Furcht vor dem Drekavac [6] aus. Im Tunnel nun gefangen, werden die einzelnen Mitglieder der Truppe zu Stilbilder von serbischen Schemen. Es finden sich welche die von der serbisch–nationalistischen Propaganda verführt wurden, welche die wie Milan unmittelbar vom Krieg betroffen sind, dem Kommandanten Gvozden, gespielt vom herausragenden Partisanenfilmschauspieler Velimir «Bata» Živojinović, der nach wie vor an Titojugoslawien glaubt, einen Junkie und schlussendlich ein Intellektueller, genannt «der Professor». Diese alle nutzen den Tunnel als Plattform für ihre jeweilige Sichtweise auf den Zerfall Jugoslawiens, den Krieg und Serbien. Nach dem Aufführen des jeweiligen Standpunktes sterben die meisten, getötet von schemenhaften Schattensoldaten. Im Showdown wird ein Fluchtversuch unternommen indem sich die beiden Jugendfreunden Milan und Halil nun gegenüberstehen wobei sich Halil in den Tod stürzt. Der Film endet in schrillen und ironischen Farben indem wiederum eine Nachrichtensendung die Eröffnung des nun Tunnel des Friedens verkündet wird. Der Tunnel kann als Metapher für Milans persönliche und einseitige Sichtweise gelesen werden. Seine Erinnerungen sind in die Vergangenheit fokussiert und durch die nationalistisch aufgeladene Zeit geprägt von denen er sich auch im Heute nicht lösen kann. Der Tunnel wird so zu einem Moment der Verdichtung, der Erinnerungen, Klängen, (Sprach-) Stimmen und Ereignissen. Zum anderen jedoch wird mit dem «Brüderlichkeit und Einheit Tunnel» eine komplexe und intelligente Metaphorik präsentiert die auch als Stellung gegen Nationalismus, Hass und nationaler Identität gelesen werden kann.

«self - Balkanisation cinema»

Der Film Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore) kann als «politisch inkorrekt» gesehen werden indem er serbisch nationale Standpunkte vertritt und aus der Perspektive der serbischen Paramilitärs den Krieg nochmals für die Zuschauer nachspielt. [7] Dazu gesellen sich ein reiches Vokabular an Verweise an den jugoslawischen Partisanenfilm und Vietnamkriegsfilmen. Dies alles verpackt in einer ästhetischen und mit Rockmusik unterlegten Filmsprache. Diese Attribute lassen «Dörfer in Flammen» als einen typischen Film des «self - Balkanisation cinema» lesen und verstehen. Der Krieg ist im Zentrum des Dramas und so geht es nicht um das Ausloten von gesellschaftlichen Veränderungen sondern vielmehr um das Verweilen in einem verklärten und kriegerischen Filmraum. Dieser verklärte Filmraum wird jedoch gekonnt in Szene gesetzt wobei viele Deutungen zulässig sind. Diese Filme lassen sich nicht eindeutig z. B als «nationalistisch» beschreiben. Sie bleiben doppeldeutig und entziehen sich so einer präzisen Aussage und lösen dadurch nach wie vor Kontroversen aus.

Filmdaten

Lepa sela lepo gore

Starring: Dragan Bjelogrlić, Nikola Kojo, Dragan Maksimović, Zoran Cvijanović, Milorad Mandić, Dragan Petrović, Lisa Moncure, Nikola Pejaković und Velimir Bata Živojinović

Sebien und Montenegro, 1996, 115 Min., farbe, 1:1.66, 35mm


Regie: Srđan Dragojević

Drehbuch: Vanja Bulić, Srđan Dragojević, Biljana Maksić, Nikola Pejaković

Kamera: Dušan Joksimović

Produktion: Cobra Films, Radio Televizija Srbije

Anmerkungen

  1. http://www.imdb.com/title/tt0116860/?ref_=nv_sr_1 (Stand: 30.11.2014).
  2. Krstić, Igor: A Vision of the Bosnian War: Srdan Dragojević‘s Lepa Sela Lepo Gore (1996), in: Andrew Horton, (Hg.) The Celluloid Tinderbox. Yugoslav Screen Reflections of a Turbulent Decade. Central European Review. Shropshire, 2000. S. 45.
  3. Diese Motive sind vielfach beschrieben worden, etwa bei Krstić, Igor: 2000 oder Levi, Pavle: Disintegration in Frames. Aesthetic and Ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford: Stanford University Press, 2007.
  4. Bosnjaken sind, im Gegenzug zu Serben oder Kroaten keine einheitliche Gruppierung. Die Bezeichnung Muslime ist irreführend da an ihrer Seite auch bosnische Serben, Kroaten und Jugoslawen kämpften. Siehe dazu: Levi, Pavle: 2007, S. 143.
  5. Im ersten blackframe steht «Ovaj film je posvećen kinematografiji zemlje, koja više ne postoji.» (Dieser Film ist der Kinematografie eines Landes gewidmet, welches nicht mehr existiert. Es findet sich im Film viele Anspielungen auf den jugoslawischen Partisanenfilm.
  6. Drekavac kann mit «Schreier» übersetzt werden und ist ein verbreitetes Fabelwesen auf dem Balkan. Im Film wird auf dieses Fabelwesen mehrmals angespielt indem das Wesen aus dem Tunnel herauskommen werde und alle Dörfer in Flammen versetzte.
  7. Krstić, Igor: 2000. S. 60.

Literaturliste (Auswahl)

Krstić, Igor: A Vision of the Bosnian War: Srdan Dragojević‘s Lepa Sela Lepo Gore (1996), in: Andrew Horton, (Hg.) The Celluloid Tinderbox. Yugoslav Screen Reflections of a Turbulent Decade. Central European Review. Shropshire, 2000. S. 43 – 62.

Krstić, Igor: Wunden der symbolischen Ordnung. Subjekt zwischen Trauma und Phantasma in serbischen Filmen der 1990er Jahre, Wien: Turia & Kant, 2009.

Kronja, Ivana: The Aesthetics of Violence in Recent Serbian Cinema: Masculinity in Crisis, in: Film Criticism, Jg. 30, H. 3, 2006. S.: 1-37.

Levi, Pavle: Disintegration in Frames. Aesthetic and Ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford: Stanford University Press, 2007.

Pavičić, Jurica: Postjugoslavenski film. Stil i ideologija. Zagreb: Hrvatski filmski savez, 2011.