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(Belgrad als politisches Zentrum des Zweiten Jugoslawien)
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Belgrad war seit jeher das kulturelle und politische Zentrum Serbiens und die grösste Stadt auf dem westlichen Balkan.
 
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Mit der Bildung Jugoslawiens wurde die Stadt nunmehr zum Nervenzentrum des neuen Staats.
 
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Nach den grossen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und als Reaktion auf die bereits vor dem Krieg bestehende Problematik der akuten Wohnraumknappheit wurde beschlossen, auf dem Sumpfgebiet auf dem westlichen Saveufer (wo sich während dem Zweiten Weltkrieg auch das Konzentrationslager [[Staro Sajmište]] befand) eine Satellitenstadt zu errichten. Ein neues geistiges und politisches Zentrum sollte entstehen, zu grossen Teilen durch die Arbeitskraft des Proletariats. Gemeinsam wurde in Richtung einer neuen Epoche aufgebrochen. 1948 wurde auf dem 2. Kongress der jugoslawischen Ingenieure und Techniker von der Architektensektion beschlossen, dass Architektur eine Reflektion der sozialistischen Realität sein sollte, angereichert mit neuen Ideen. Durch den Bruch Titos mit Stalin wurden stalinistische Tendenzen insbesondere im Personenkult grösstmöglich beendet und es wurde begonnen, an einer eigenen architektonischen Linie zu arbeiten, um sich so auch sichtbar von der UdSSR abgrenzen zu können.  Den jugoslawischen Stil zeichnete das Abstrakte, brutalistische, aber auch seine vergleichsweise gewisse Leichtigkeit und schlichte Eleganz aus. Jugoslawische Architektur wurde auch in andere blockfreie Staaten exportiert. Die Linie hatte nebst der Abgrenzung von der Sowjetunion aber noch ein anderes politisches Ziel: Jugoslawien war im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten extrem ideologisiert, da der Staat und die Nation sehr jung war. Die Architektur war also wichtig, um dem Volk den „neuen Staat“ in Stahl und Beton zu  manifestieren und sich vom alten, monarchistischen abgrenzen zu können.
 
Nach den grossen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und als Reaktion auf die bereits vor dem Krieg bestehende Problematik der akuten Wohnraumknappheit wurde beschlossen, auf dem Sumpfgebiet auf dem westlichen Saveufer (wo sich während dem Zweiten Weltkrieg auch das Konzentrationslager [[Staro Sajmište]] befand) eine Satellitenstadt zu errichten. Ein neues geistiges und politisches Zentrum sollte entstehen, zu grossen Teilen durch die Arbeitskraft des Proletariats. Gemeinsam wurde in Richtung einer neuen Epoche aufgebrochen. 1948 wurde auf dem 2. Kongress der jugoslawischen Ingenieure und Techniker von der Architektensektion beschlossen, dass Architektur eine Reflektion der sozialistischen Realität sein sollte, angereichert mit neuen Ideen. Durch den Bruch Titos mit Stalin wurden stalinistische Tendenzen insbesondere im Personenkult grösstmöglich beendet und es wurde begonnen, an einer eigenen architektonischen Linie zu arbeiten, um sich so auch sichtbar von der UdSSR abgrenzen zu können.  Den jugoslawischen Stil zeichnete das Abstrakte, brutalistische, aber auch seine vergleichsweise gewisse Leichtigkeit und schlichte Eleganz aus. Jugoslawische Architektur wurde auch in andere blockfreie Staaten exportiert. Die Linie hatte nebst der Abgrenzung von der Sowjetunion aber noch ein anderes politisches Ziel: Jugoslawien war im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten extrem ideologisiert, da der Staat und die Nation sehr jung war. Die Architektur war also wichtig, um dem Volk den „neuen Staat“ in Stahl und Beton zu  manifestieren und sich vom alten, monarchistischen abgrenzen zu können.
 
Als eines der Prestigeobjekte kann das [[Hotel Jugoslavija]][https://looking-for-yu.osteuropa.unibas.ch/wiki/index.php/Hotel_Jugoslavija] aufgeführt werden.
 
Als eines der Prestigeobjekte kann das [[Hotel Jugoslavija]][https://looking-for-yu.osteuropa.unibas.ch/wiki/index.php/Hotel_Jugoslavija] aufgeführt werden.
 
  
 
== Jugoslawischer Alltag ==
 
== Jugoslawischer Alltag ==

Version vom 26. Oktober 2014, 23:37 Uhr

Belgrad als politisches Zentrum des Zweiten Jugoslawien

1948 kam es zum endgültigen Bruch Josef Stalins mit Tito und die Kommunistische Partei Jugoslawiens wurde aus dem Kominform ausgeschlossen. Jugoslawien musste sich um eine neue Aussen- und Bündnispolitik bemühen, die in der Blockfreien-Bewegung und einer Position zwischen Kommunismus und Kapitalismus ihre Verwirklichung fand und somit einen «dritter Weg» darstellte. Ein bezeichnendes Merkmal des jugoslawischen Systems war die Arbeiterselbstverwaltung der Betriebe. Belgrad wurde so zu einem bedeutenden internationalen Zentrum während des Kalten Krieges.

Jugoslawische Architektur

Belgrad war seit jeher das kulturelle und politische Zentrum Serbiens und die grösste Stadt auf dem westlichen Balkan.

Mit der Bildung Jugoslawiens wurde die Stadt nunmehr zum Nervenzentrum des neuen Staats. Nach den grossen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und als Reaktion auf die bereits vor dem Krieg bestehende Problematik der akuten Wohnraumknappheit wurde beschlossen, auf dem Sumpfgebiet auf dem westlichen Saveufer (wo sich während dem Zweiten Weltkrieg auch das Konzentrationslager Staro Sajmište befand) eine Satellitenstadt zu errichten. Ein neues geistiges und politisches Zentrum sollte entstehen, zu grossen Teilen durch die Arbeitskraft des Proletariats. Gemeinsam wurde in Richtung einer neuen Epoche aufgebrochen. 1948 wurde auf dem 2. Kongress der jugoslawischen Ingenieure und Techniker von der Architektensektion beschlossen, dass Architektur eine Reflektion der sozialistischen Realität sein sollte, angereichert mit neuen Ideen. Durch den Bruch Titos mit Stalin wurden stalinistische Tendenzen insbesondere im Personenkult grösstmöglich beendet und es wurde begonnen, an einer eigenen architektonischen Linie zu arbeiten, um sich so auch sichtbar von der UdSSR abgrenzen zu können. Den jugoslawischen Stil zeichnete das Abstrakte, brutalistische, aber auch seine vergleichsweise gewisse Leichtigkeit und schlichte Eleganz aus. Jugoslawische Architektur wurde auch in andere blockfreie Staaten exportiert. Die Linie hatte nebst der Abgrenzung von der Sowjetunion aber noch ein anderes politisches Ziel: Jugoslawien war im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten extrem ideologisiert, da der Staat und die Nation sehr jung war. Die Architektur war also wichtig, um dem Volk den „neuen Staat“ in Stahl und Beton zu manifestieren und sich vom alten, monarchistischen abgrenzen zu können. Als eines der Prestigeobjekte kann das Hotel Jugoslavija[1] aufgeführt werden.

Jugoslawischer Alltag

Im Gegensatz zu den meisten anderen sozialistischen Staaten genossen die Jugoslawen eine praktisch uneingeschränkte Reisefreiheit. Als blockfreier Staat war es möglich, visumfrei in eine grosse Anzahl Länder zu reisen. Zahlreiche Saisonarbeiter aber auch Fachkräfte nutzen diese Situation, um in den umliegenden Ländern auf Arbeitssuche zu gehen. Für den jugoslawischen Staat bedeutete dies faktisch einen brain drain, der nur schwer aufzuhalten war. Geduldet wurde er trotzdem mit dem Verweis auf das Recht auf Arbeit. Um seinen Bürgern ein Gefühl von Fortschritt und Kosmopolitismus vermitteln zu können, wurden in Belgrad Supermärkte im westlichen Stil eröffnet.