Dörfer in Flammen

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Version vom 13. Dezember 2014, 00:57 Uhr von Valentin (Diskussion | Beiträge) («self-Balkanisation cinema»)
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Text: VW

Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore)[1] ist ein serbisches Kriegsfilmdrama aus dem Jahr 1996. Regie führte Srđan Dragojević der auch am Drehbuch mitwirkte. Der Film feierte nicht nur im Ausland Erfolge sondern ist auch der erste serbische Film nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens, der in den Nachbarländern erfolgreich in den Kinos lief.[2] Dem zu trotz, löste der Film Kontroversen aus und wird nach wie vor in Kroatien und Bosnien als Provokation wegen seiner «pro-serbischen» Haltung angesehen. Das komplexe und vielschichtige Werk ist hauptsächlich in ländlichen Regionen Bosniens angesiedelt und widmet sich dem Zerstörungskrieg in Bosnien und Herzegowina. Nicht nur werden populäre Motive, Klischees und Stereotypen des «self-Balkanisation cinema» zitiert, sondern es finden sich ebenso Anspielungen an den jugoslawischen Partisanenfilm oder amerikanischen Western sowie Vietnamkriegsfilmen.[3] Zentrales Hauptsymbol des Filmes ist der Tunnel «Brüderlichkeit und Einheit» (Bratstvo i jedinstvo), in dem der Hauptteil des Filmes spielt.

Synopsis

Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Idyll und Flucht.
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Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Kriegsbilder und Rockmusik.
Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Ästhetik und Krieg.
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Filmstill: Dörfer in Flammen (Lepa sela lepo gore, 1996), Deklaration und Konflikt.

Aus der Sicht von Milan (Dragan Bjelogrlić) wird die Geschichte einer Freundschaft geschildert die sich aufgrund des Bosnienkrieges zu einer Feindschaft wandelt. Der junge Serbe liegt zusammen mit einem Kameraden schwer verwundet in einem Belgrader Spital. Der Film springt nun in mehrere historische Zeitframes zurück. Zum einen wird die Kindheit von Milan und dem Bosniake[4] Halil (Nikola Pejaković) um 1980 (Titos Tod) gezeigt, ihre Jugendjahre in der gemeinsamen Autowerkstatt und schliesslich die Zeit des Bosnienkrieges (1992) veranschaulicht. Der Film verfolgt Milan als Mitglied einer serbischen Paramilitäreinheit, die, als Referenz zum Filmtitel, Dörfer plündert und in Flammen setzt. Bei einem nächtlichen Überraschungsangriff muss die Einheit fliehen und findet Schutz in einem Tunnel, der sich in einer der vielen Flashbacks als jugoslawischer «Brüderlichkeit und Einheit»-Tunnel herausstellt.

«Brüderlichkeit und Einheit» Tunnel

Dieser Tunnel wird zum eigentlichen Hauptstrang des Filmes. Alle Rückblenden nehmen auf unterschiedliche Weise Bezug auf den «Brüderlichkeit und Einheit»-Tunnel. Grossartig in Szene gesetzt z.B zu Beginn des Filmes[5] wo dem Zuschauer die Eröffnung des Tunnels à la einer propagandistischen Nachrichtensendung gezeigt wird. Demgegenüber wird durch die Haupthandlung wiederum klar, dass der Tunnel, der Zagreb und Belgrad hätte verbinden sollen, gar nie wirklich eröffnet wurde. Die Kinder Halil und Milan haben eine seltsame Ambivalenz zum Tunnel. Der heruntergekommene Tunnel löst Furcht vor dem Drekavac[6] aus und das Betreten des Tunnels wird zur Mutprobe.

In den 90er Jahre im Tunnel gefangen, werden die einzelnen Mitglieder der serbischen Truppe zu Stereotypen. Es finden sich welche die von der serbisch–nationalistischen Propaganda verführt wurden, welche die wie Milan unmittelbar vom Krieg betroffen sind, dem Kommandanten Gvozden, (gespielt vom herausragenden Partisanenfilmschauspieler Velimir «Bata» Živojinović) der nach wie vor an Titos Jugoslawien glaubt, einen Drogensüchtigen sowie ein Intellektueller, «der Professor» genannt wird. Sie alle nutzen den Tunnel als Plattform für ihre jeweilige Sichtweise auf den Zerfall Jugoslawiens, den Krieg und ihr Herkunftsland Serbien. Nach dem Aufführen des jeweiligen Standpunktes sterben die meisten, getötet von schemenhaften Schattensoldaten. Im Showdown wird ein Fluchtversuch unternommen, indem sich die beiden Jugendfreunden Milan und Halil wieder gegenüberstehen, wobei Halil in den Tod stürzt. Der Film endet in schrillen und ironischen Farben mit einer «Nachrichtensendung» zur Eröffnung des «Friedentunnels».

Der Tunnel kann als Metapher für Milans persönliche und einseitige Sichtweise gelesen werden. Er ist nicht zu einer Reflexion fähig und bleibt einer fokussierten Erinnerung an die kriegerischen 90er Jahre verpflichtet. Der Tunnel wird so zu einem Moment der Verdichtung, der Erinnerungen, Klängen, (Sprach-) Stimmen und Ereignissen. Zum anderen jedoch wird mit dem «Brüderlichkeit und Einheit»-Tunnel eine komplexe und intelligente Metaphorik präsentiert, die auch als Stellung gegen Nationalismus, Hass und nationaler Identität gelesen werden kann.

self-Balkanisation cinema

Dieser Film kann als «politisch inkorrekt» gelesen werden, indem er serbisch nationale Standpunkte vertritt und aus der Perspektive der serbischen Paramilitärs den Krieg nochmals für die Zuschauer nachspielt.[7] Dazu gesellen sich ein reiches Vokabular an Verweise zum jugoslawischen Partisanenfilm und Vietnamkriegsfilmen. Dies alles verpackt in einer ästhetischen und mit Rockmusik unterlegten Filmsprache. Diese Attribute lassen «Dörfer in Flammen» als einen typischen Film des «self-Balkanisation cinema» lesen und verstehen. Der Krieg ist im Zentrum des Dramas und so geht es nicht um das Ausloten von gesellschaftlichen Veränderungen sondern vielmehr um das Verweilen in einem verklärten und kriegerischen Filmraum. Diese Filme lassen sich im Gegenzug nicht eindeutig z. B als «nationalistisch» beschreiben. Sie bleiben doppeldeutig und entziehen sich so einer präzisen Aussage und lösen dadurch nach wie vor Kontroversen aus.

Filmdaten

Lepa sela lepo gore

Starring: Dragan Bjelogrlić, Nikola Kojo, Dragan Maksimović, Zoran Cvijanović, Milorad Mandić, Dragan Petrović, Lisa Moncure, Nikola Pejaković und Velimir Bata Živojinović

Sebien und Montenegro, 1996, 115 Min., farbe, 1:1.66, 35mm


Regie: Srđan Dragojević

Drehbuch: Vanja Bulić, Srđan Dragojević, Biljana Maksić, Nikola Pejaković

Kamera: Dušan Joksimović

Produktion: Cobra Films, Radio Televizija Srbije

Anmerkungen

  1. http://www.imdb.com/title/tt0116860/?ref_=nv_sr_1 (Stand: 30.11.2014).
  2. Krstić, Igor: A Vision of the Bosnian War: Srdan Dragojević‘s Lepa Sela Lepo Gore (1996), in: Andrew Horton, (Hg.) The Celluloid Tinderbox. Yugoslav Screen Reflections of a Turbulent Decade. Central European Review. Shropshire, 2000. S. 45.
  3. Diese Motive sind vielfach beschrieben worden, etwa bei Krstić, Igor: 2000 oder Levi, Pavle: Disintegration in Frames. Aesthetic and Ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford: Stanford University Press, 2007.
  4. Bosnjaken sind, im Gegenzug zu Serben oder Kroaten keine einheitliche Gruppierung. Die Bezeichnung Muslime ist irreführend da an ihrer Seite auch bosnische Serben, Kroaten und Jugoslawen kämpften. Siehe dazu: Levi, Pavle: 2007, S. 143.
  5. Im ersten blackframe steht «Ovaj film je posvećen kinematografiji zemlje, koja više ne postoji.» (Dieser Film ist der Kinematografie eines Landes gewidmet, welches nicht mehr existiert.) Der Film enthält viele Anspielungen auf das jugoslawische Partisanenkino.
  6. Drekavac kann mit «Schreier» übersetzt werden und gilt als verbreitetes Fabelwesen auf dem Balkan. Im Film wird darauf mehrmals angespielt – das Wesen aus dem Tunnel könnte herauskommen und alle Dörfer in Flammen versetzen.
  7. Krstić, Igor: 2000. S. 60.

Literaturliste (Auswahl)

Krstić, Igor: A Vision of the Bosnian War: Srdan Dragojević‘s Lepa Sela Lepo Gore (1996). In: Andrew Horton, (Hg.) The Celluloid Tinderbox. Yugoslav Screen Reflections of a Turbulent Decade. Central European Review. Shropshire 2000, S. 43 – 62.

Krstić, Igor: Wunden der symbolischen Ordnung. Subjekt zwischen Trauma und Phantasma in serbischen Filmen der 1990er Jahre, Wien: Turia & Kant, 2009.

Kronja, Ivana: The Aesthetics of Violence in Recent Serbian Cinema: Masculinity in Crisis, in: Film Criticism, Jg. 30, H. 3, 2006. S.: 1-37.

Levi, Pavle: Disintegration in Frames. Aesthetic and Ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford: Stanford University Press, 2007.

Pavičić, Jurica: Postjugoslavenski film. Stil i ideologija. Zagreb: Hrvatski filmski savez, 2011.