Zagreb

Aus Looking for YU
Wechseln zu: Navigation, Suche

Text: NM

Blick vom Hauptplatz (Ban-Jelačić-Platz) nach Osten, Bild: VW.
Blick auf den Ban-Jelačić-Platz von Südosten, im Hintergrund die Ban-Jelačić Statue, Bild: VW.

Zagreb ist Hauptstadt der Republik Kroatien und angesichts seiner Topographie zentraler Erinnerungsort der kroatischen Vergangenheit.Kartensymbol 300x226.png

Zagreb als Erinnerungsort

Am Beispiel der kroatischen Hauptstadt Zagreb kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie sich der Wandel politischer Systeme anhand der Namensänderungen von Strassen und Plätzen nachvollziehen lässt. Zagreb war Hauptstadt des «Unabhängigen Staats Kroatien» (USK, Nezavisna Država Hrvatska, NDH) 1941-1945, Kapitale der Republik Kroatien innerhalb der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ, Socialistička Federativna Republika Jugoslavije, SFRJ) 1945-1991 und Hauptstadt der unabhängigen Republik Kroatien ab 1991. Die Zagreber Strassen, Plätze und Erinnerungsstätten sind ein beredtes Zeugnis der dominanten politischen Strömungen der vergangenen Jahrzehnte.

Alltag und Ideologie

Umbenennungen von Strassen sind als Teil eines Polysystems zu verstehen. Nicht nur die Namensänderungen können als Zeitzeugen auftreten, sondern ebenso auch umgestaltete Briefmarken oder Geldscheine (beziehungsweise Münzen) mittels derer politische und ideologische Inhalte Einzug in den Alltag der Menschen finden.[1]

Ziel der jeweiligen Regimes war es, in der neuen Ideologie ihre Einzigartigkeit, ihre neuen Helden und neu gewonnenen Territorien zu betonen. Dies geschah ohne grosse zeitliche Verzögerung durch Namensänderungen von Strassen und Plätzen.[2] Bojan Marjanović unterscheidet dabei vier Kategorien der Umbenennung[3]:

  • Eine zweite Kategorie ist diejenige der geographischen Begriffe: Geographische Orte, welche mit der herrschenden Ideologie verbunden sind, werden zu Namensgebern von Strassen und Plätzen. Es sind zwei Arten von Namensgebungen zu unterscheiden: Einerseits jene nach einem Ort, wo sich historisch wichtige Ereignisse abgespielt haben, andererseits jene nach dem Ort, wohin sich die Ideologie orientiert. Als Beispiel sei Medvedgrad genannt.
  • In der dritten Kategorie wird durch Umbenennung ideologisch wichtiger Ereignisse gedacht – beispielsweise einer Revolution oder ähnlichen Zäsuren, wie sie der Platz der Münchener Opfer oder der Platz der Republik einst kennzeichnete.
  • Die letzte Kategorie widmet sich den ideologischen Werten, welche durch die Umbenennung der Orte ins Kollektivgedächtnis eingeprägt werden. Gerade nach dieser Kategorie benannte Strassen und Plätze nehmen laut Marjanović die zentralsten Orte einer Stadt ein, da aus ihnen später Individuen hervorgehoben werden, welche für diese Werte nicht selten ihr Leben opferten und sich somit einen Stelle im kollektiven Gedächtnis verdienten. Als Beispiel kann hier der Platz der Opfer des Faschismus oder der Platz der kroatischen Helden dienen.

Neben diesen vier Kategorien liesse sich noch eine fünfte ausmachen: Jene derjenigen Strassen und Plätze, welche die unterschiedlichen Regimes, respektive deren Ideologien, ohne Namensänderung durchliefen, deren symbolischer Wert als zentraler Ort der Stadt allerdings nie geringer wurde – beispielsweise der Markusplatz.

Namensgebungen in NDH, SFRJ und der Republik Kroatien

Die Namensgebungen in der NDH zeichneten sich durch einen faschistischen Grundtenor aus, welcher einerseits die politische Abhängigkeit von den Achsenmächten dokumentieren (Platz der Münchener Opfer, Mussolini-Strasse), andererseits auch die Idee eines Grosskroatiens (Platz des Bans Kulin) portieren sollten.[4]

Aus dem jugoslawischen Regime resultierten teilweise paradoxe Benennungen: Während einige Quartiere bestimmten Abteilungen, militärischen Formationen oder Helden des Volksbefreiungskriegs gewidmet waren (Joža-Vlahović-Platz, Gebrüder-Kavurić-Strasse), bekamen neu erbaute Viertel Ende der 1980er Jahre die Namen kroatischer Philologen, Buchkritiker, Historiker und Anderer und schrieben sich so in eine Tradition der Vorkriegszeit ein.[5] Als Grundsatz lässt sich jedoch festhalten, dass es vor allem um eine Distanzierung vom vorangegangenen Staat NDH ging: Namen, die an Helden oder sonstige Verknüpfungen der faschistischen oder grosskroatischen Ideologie erinnerten, wurden ersetzt durch solche, die das neue sozialistische Regime ehrten beziehungsweise auf die Opfer der NDH hinwiesen (Platz der Faschismusopfer).

Die Regierung der Republik Kroatien führte ab 1991 ihrerseits die Umbenennungen so durch, dass sie einerseits die Namen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wieder einführte, andererseits neue gestaltete, um das sozialistische Erbe auszulöschen.[6] Ein wichtiger Bestandteil war dabei die Anknüpfung an das mittelalterliche Kroatien, mittels dessen eine «Kontiunuität kroatischer Staatlichkeit»[7] konstruiert wurde.[8] Ein Beispiel dafür ist im Altar der Heimat ausserhalb der Stadt zu finden. Konsequent wurde die Auslöschung der sozialistischen Vergangenheit jedoch nicht ausgeführt, wovon heute der Marschall-Tito-Platz zeugt. Die Zeit der SFRJ blieb durchaus auch in positiver Erinnerung, die sich beispielsweise in der Jugonostalgie ausdrückt und die Festlegung der heutigen Staatsgrenzen Kroatiens im Zweiten Weltkrieg betont.[9]

Einzelnachweise

  1. Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada. S. 38.
  2. Ibid., S. 35.
  3. Die Aufzählung der Kategorien stammt aus Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127, hier S. 113-115.
  4. Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada, S. 48.
  5. Ibid., S. 43ff.
  6. Ibid., S. 44-47.
  7. Steindorff, Schichten der Erinnerung, S. 173.
  8. Ibid., S. 173.
  9. Ibid., S. 173.

Literaturliste (Auswahl)

Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127.

Rihtman-Auguštin, Dunja: Ulice moga grada. Beograd 2000.

Steindorff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien. In: Jaworski, Rudolf, Kusber, Jan (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003. S. 157-182.