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Zagreb ist Hauptstadt der Republik Kroatien und angesichts seiner Topographie zentraler [[Erinnerungsort]] der kroatischen Vergangenheit.
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'''Zagreb''' ist Hauptstadt der Republik Kroatien und angesichts seiner Topographie zentraler [[Erinnerungsort]] der kroatischen Vergangenheit.[[Datei:Kartensymbol 300x226.png|60px|link=https://www.google.ch/maps/place/Zagreb,+Kroatien/@45.840196,15.9643315,11.36z/data=!4m2!3m1!1s0x4765d692c902cc39:0x3a45249628fbc28a]]
 
 
 
== Zagreb als Erinnerungsort ==
 
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Am Beispiel der kroatischen Hauptstadt Zagreb kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie sich der Wandel politischer Systeme anhand der Namensänderungen von Strassen und Plätzen nachvollziehen lässt. Zagreb war Hauptstadt des [[Unabhängiger Staat Kroatien|«Unabhängigen Staats Kroatien»]] (USK, Nezavisna Država Hrvatska, NDH) 1941-1945, Kapitale der Republik Kroatien innerhalb der [[Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien|Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien]] (SFRJ, Socialistička Federativna Republika Jugoslavije, SFRJ) 1945-1991 und Hauptstadt der unabhängigen Republik Kroatien ab 1991. Die Zagreber Strassen, Plätze und Erinnerungsstätten sind ein beredtes Zeugnis der dominanten politischen Strömungen der vergangenen Jahrzehnte.  
Am Beispiel der kroatischen Hauptstadt Zagreb kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie sich der Wandel politischer Systeme anhand der Namensänderungen von Strassen und Plätzen erklären lässt. Zagreb war Hauptstadt des «Unabhängigen Staats Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, [[NDH]])» (1941-1945), Kapitale der Republik Kroatien innerhalb der «Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ([[SFRJ]])» 1945-1991 und Hauptstadt der unabhängigen Republik Kroatien ab 1991. Die Zagreber Strassen, Plätze und Erinnerungsstätten sprechen Bänder über die politischen Stimmungen der vergangenen Jahrzehnte.  
 
 
 
 
== Alltag und Ideologie ==
 
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Umbenennungen von Strassen sind als Teil eines Polysystems zu verstehen. Nicht nur die Namensänderungen können als Zeitzeugen auftreten, sondern ebenso auch umgestaltete Briefmarken oder Geldscheine (beziehungsweise Münzen) mittels derer politische und ideologische Inhalte Einzug in den Alltag der Menschen finden.<ref>Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada. S. 38.</ref>
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Umbenennungen von Strassen sind als Teil eines Polysystems zu verstehen. Nicht nur die Namensänderungen können als Zeitzeugen auftreten, sondern ebenso auch umgestaltete Briefmarken oder Geldscheine (beziehungsweise Münzen) mittels derer politische und ideologische Inhalte Einzug in den Alltag der Menschen finden.<ref>Rihtman-Auguštin, Dunja: Ulice moga grada. Beograd 2000, S. 38.</ref>
  
Ziel der jeweiligen Regimes war es, in der neuen Ideologie ihre Einzigartigkeit, ihre neuen Helden und neu gewonnenen Territorien zu betonen. Dies geschah ohne grosse Verzögerung erst einmal durch Namensänderungen von Strassen und Plätzen.<ref>Ibid., S. 35.</ref>  Bojan Marjanović unterscheidet dabei vier Kategorien der Umbenennung<ref>Die Aufzählung der Kategorien stammt aus Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127, hier S. 113-115.</ref>:
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Ziel der jeweiligen Regimes war es, in der neuen Ideologie ihre Einzigartigkeit, ihre neuen Helden und neu gewonnenen Territorien zu betonen. Dies geschah ohne grosse zeitliche Verzögerung durch Namensänderungen von Strassen und Plätzen.<ref>Ibid., S. 35.</ref>  Bojan Marjanović unterscheidet dabei vier Kategorien der Umbenennung<ref>Die Aufzählung der Kategorien stammt aus Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127, hier S. 113-115.</ref>:
  
- Die Kategorie der Person benennt Strassen direkt nach Individuen oder einigen Wenigen. Hierbei wird nicht auf eine Gruppierung hingewiesen, sondern durch Nennung der Vor- und Nachnamens spezifisch auf eine Person, die aus der Gruppierung hervorsticht. Als Beispiel können die [[Andrija-Hebrang-Strasse]], der [[Ban-Jelačić-Platz]], der [[Franklin-Roosevelt Platz]], sowie der [[Platz des Marschalls Tito]]genannt werden.  
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*Die Kategorie der Person benennt Strassen direkt nach Individuen oder einigen Wenigen. Hierbei wird nicht auf eine Gruppierung hingewiesen, sondern durch Nennung der Vor- und Nachnamen spezifisch auf Einzelpersonen, die aus einer Gruppe herausragen. Als Beispiel können die [[Andrija-Hebrang-Strasse]], der [[Ban-Jelačić-Platz]], der [[Franklin-Roosevelt-Platz]], sowie der [[Marschall-Tito-Platz]] genannt werden.  
  
- Eine zweite Kategorie ist diejenige der geographischen Begriffe: Geographische Orte, welche mit der herrschenden Ideologie verbunden sind, werden zu Namensgebern von Strassen und Plätzen. Es sind zwei Arten von Namensgebungen zu unterscheiden: Einerseits jene nach einem Ort, wo sich historisch wichtige Ereignisse abgespielt haben, andererseits jene nach dem Ort, wo sich die Ideologie hinorientiert.
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*Eine zweite Kategorie ist diejenige der geographischen Begriffe: Geographische Orte, welche mit der herrschenden Ideologie verbunden sind, werden zu Namensgebern von Strassen und Plätzen. Es sind zwei Arten von Namensgebungen zu unterscheiden: Einerseits jene nach einem Ort, wo sich historisch wichtige Ereignisse abgespielt haben, andererseits jene nach dem Ort, wohin sich die Ideologie orientiert. Als Beispiel sei [[Medvedgrad]] genannt.
  
- In der dritten Kategorie wird durch Umbenennung ideologisch wichtiger Ereignisse gedacht – beispielsweise einer Revolution oder ähnlichen Zäsuren, wie sie der [[Platz der Münchener Opfer]], welcher heute [[Platz der kroatischen Helden]] genannt wird, einst kennzeichnete.
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*In der dritten Kategorie wird durch Umbenennung ideologisch wichtiger Ereignisse gedacht – beispielsweise einer Revolution oder ähnlichen Zäsuren, wie sie der [[Platz der kroatischen Helden|Platz der Münchener Opfer]] oder der [[Ban-Jelačić-Platz|Platz der Republik]] einst kennzeichnete.
  
- Die letzte Kategorie widmet sich den der Ideologie entsprechenden Werten, welche dadurch ins [[Kollektivgedächtnis]] eingeprägt werden. Gerade nach dieser Kategorie benannte Strassen und Plätze nehmen laut Marjanović die zentralsten Orte einer Stadt ein, da aus ihnen später Individuen hervorgehoben werden, welche für diese Werte nicht selten ihr Leben opferten und sich somit einen Stelle im kollektiven Gedächtnis verdienten. Als Beispiel soll hier der [[Platz der Opfer des Faschismus]] aushelfen.
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*Die letzte Kategorie widmet sich den ideologischen Werten, welche durch die Umbenennung der Orte ins [[kollektives Gedächtnis|Kollektivgedächtnis]] eingeprägt werden. Gerade nach dieser Kategorie benannte Strassen und Plätze nehmen laut Marjanović die zentralsten Orte einer Stadt ein, da aus ihnen später Individuen hervorgehoben werden, welche für diese Werte nicht selten ihr Leben opferten und sich somit einen Stelle im kollektiven Gedächtnis verdienten. Als Beispiel kann hier der [[Platz der Faschismusopfer|Platz der Opfer des Faschismus]] oder der [[Platz der kroatischen Helden]] dienen.
  
 
Neben diesen vier Kategorien liesse sich noch eine fünfte ausmachen: Jene derjenigen Strassen und Plätze, welche die unterschiedlichen Regimes, respektive deren Ideologien, ohne Namensänderung durchliefen, deren symbolischer Wert als zentraler Ort der Stadt allerdings nie geringer wurde – beispielsweise der [[Markusplatz]].
 
Neben diesen vier Kategorien liesse sich noch eine fünfte ausmachen: Jene derjenigen Strassen und Plätze, welche die unterschiedlichen Regimes, respektive deren Ideologien, ohne Namensänderung durchliefen, deren symbolischer Wert als zentraler Ort der Stadt allerdings nie geringer wurde – beispielsweise der [[Markusplatz]].
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== Namensgebungen in NDH, SFRJ und der Republik Kroatien ==
 
== Namensgebungen in NDH, SFRJ und der Republik Kroatien ==
  
Die Namensgebungen in der [[NDH]] zeichneten sich durch einen faschistischen Grundtenor aus, welcher einerseits die politische Abhängigkeit von den Achsenmächten dokumentieren (Platz der Münchener Opfer), andererseits auch die Idee eines Grosskroatiens ([[Platz des Bans Kulin]]).<ref>Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada, S. 48.</ref>
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Die Namensgebungen in der NDH zeichneten sich durch einen faschistischen Grundtenor aus, welcher einerseits die politische Abhängigkeit von den Achsenmächten dokumentierte ([[Platz der kroatischen Helden|Platz der Münchener Opfer]], [[Andrija-Hebrang-Strasse|Mussolini-Strasse]]), andererseits auch die Idee eines Grosskroatiens ([[Platz der Faschismusopfer|Platz des Bans Kulin]]) portieren sollten.<ref>Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada, S. 48.</ref>
  
Aus dem jugoslawischen Regime resultierten teilweise paradoxe Benennungen: Während einige Quartiere bestimmten Abteilungen, militärischen Formationen oder Helden des [[Volksbefreiungskriegs]] gewidmet waren, bekamen neu erbaute Viertel (gemeint ist die Zeit Ende der 1980er Jahre) die Namen kroatischer Philologen, Buchkritiker, Historiker und Anderer – als hätte man die traditionelle Namensgebung vor den 1950-er Jahren nicht vergessen wollen.<ref>Ibid., S. 43ff.</ref>  Als Grundsatz lässt sich jedoch festhalten, dass es vor allem um eine Distanzierung vom vorangegangenen Staat [[NDH]] ging: Namen, die an Helden oder sonstige Verknüpfungen der faschistischen oder grosskroatischen Ideologie erinnerten, wurden ersetzt durch solche, die das neue sozialistische Regime ehrten beziehungsweise auf die Opfer der [[NDH]] hinwiesen ([[Platz der Faschismusopfer]]).
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Aus dem jugoslawischen Regime resultierten teilweise paradoxe Benennungen: Während einige Quartiere bestimmten Abteilungen, militärischen Formationen oder Helden des [[Partisanenkampf|Volksbefreiungskriegs]] gewidmet waren ([[Platz der kroatischen Helden|Joža-Vlahović-Platz]], [[Andrija-Hebrang-Strasse|Gebrüder-Kavurić-Strasse]]), bekamen neu erbaute Viertel Ende der 1980er Jahre die Namen kroatischer Philologen, Buchkritiker, Historiker und Anderer und schrieben sich so in eine Tradition der Vorkriegszeit ein.<ref>Ibid., S. 43ff.</ref>  Als Grundsatz lässt sich jedoch festhalten, dass es vor allem um eine Distanzierung vom vorangegangenen Staat NDH ging: Namen, die an Helden oder sonstige Verknüpfungen der faschistischen oder grosskroatischen Ideologie erinnerten, wurden ersetzt durch solche, die das neue sozialistische Regime ehrten beziehungsweise auf die Opfer der NDH hinwiesen (Platz der Faschismusopfer).
  
Die Regierung der Republik Kroatien ab 1991 führte ihrerseits die Umbenennungen so durch, dass sie einerseits die Namen der Vorkriegszeit (die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg) wieder einführten, andererseits neue gestalteten, um das sozialistische Erbe vor allem in Angesicht der anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen auszulöschen.<ref>Ibid., S. 44-47.</ref>  Ein wichtiger Bestandteil dabei war die Anknüpfung an das mittelalterliche Kroatien, wo die «Kontiunuität kroatischer Staatlichkeit»<ref>Steindorff, Schichten der Erinnerung, S. 173.</ref> angesetzt wird<ref>Ibid., S. 173.</ref> – ein Beispiel dafür ist im [[Heimataltar]] zu finden. Konsequent wurde die Auslöschung der sozialistischen Vergangenheit jedoch nicht ausgeführt; sie blieb durchaus auch in positiver Erinnerung, beispielsweise dadurch, dass die historischen kroatischen Territorien am Ende des Zweiten Weltkriegs vereinigt wurden.<ref>Ibid., S. 173.</ref>
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Die Regierung der Republik Kroatien führte ab 1991 ihrerseits die Umbenennungen so durch, dass sie einerseits die Namen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wieder einführte, andererseits neue gestaltete, um das sozialistische Erbe auszulöschen.<ref>Ibid., S. 44-47.</ref>  Ein wichtiger Bestandteil war dabei die Anknüpfung an das mittelalterliche Kroatien, mittels dessen eine «Kontiunuität kroatischer Staatlichkeit»<ref>Steindorff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien. In: Jaworski, Rudolf/Kusber, Jan (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003, S. 157-182, hier S. 173.</ref> konstruiert wurde.<ref>Ibid., S. 173.</ref> Ein Beispiel dafür ist im [[Altar der Heimat]] ausserhalb der Stadt zu finden. Konsequent wurde die Auslöschung der sozialistischen Vergangenheit jedoch nicht ausgeführt, wovon heute der [[Marschall-Tito-Platz]] zeugt. Die Zeit der SFRJ blieb durchaus auch in positiver Erinnerung, die sich beispielsweise in der Jugonostalgie ausdrückt und die Festlegung der heutigen Staatsgrenzen Kroatiens im Zweiten Weltkrieg betont.<ref>Ibid., S. 173.</ref>
  
== Einzelnachweise ==
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== Anmerkungen ==
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== Literaturliste ==
 
 
Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127.
 
 
Rihtman-Auguštin, Dunja: Ulice moga grada. Beograd 2000.
 
 
Steindorff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien. In: Jaworski, Rudolf, Kusber, Jan (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003. S. 157-182.
 

Aktuelle Version vom 15. Dezember 2014, 20:39 Uhr

Text: NM

Blick vom Ban-Jelačić-Platz Richtung Osten, Bild: VW.

Zagreb ist Hauptstadt der Republik Kroatien und angesichts seiner Topographie zentraler Erinnerungsort der kroatischen Vergangenheit.Kartensymbol 300x226.png

Zagreb als Erinnerungsort

Am Beispiel der kroatischen Hauptstadt Zagreb kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie sich der Wandel politischer Systeme anhand der Namensänderungen von Strassen und Plätzen nachvollziehen lässt. Zagreb war Hauptstadt des «Unabhängigen Staats Kroatien» (USK, Nezavisna Država Hrvatska, NDH) 1941-1945, Kapitale der Republik Kroatien innerhalb der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ, Socialistička Federativna Republika Jugoslavije, SFRJ) 1945-1991 und Hauptstadt der unabhängigen Republik Kroatien ab 1991. Die Zagreber Strassen, Plätze und Erinnerungsstätten sind ein beredtes Zeugnis der dominanten politischen Strömungen der vergangenen Jahrzehnte.

Alltag und Ideologie

Blick auf den Ban-Jelačić-Platz von Südosten, Bild: VW.

Umbenennungen von Strassen sind als Teil eines Polysystems zu verstehen. Nicht nur die Namensänderungen können als Zeitzeugen auftreten, sondern ebenso auch umgestaltete Briefmarken oder Geldscheine (beziehungsweise Münzen) mittels derer politische und ideologische Inhalte Einzug in den Alltag der Menschen finden.[1]

Ziel der jeweiligen Regimes war es, in der neuen Ideologie ihre Einzigartigkeit, ihre neuen Helden und neu gewonnenen Territorien zu betonen. Dies geschah ohne grosse zeitliche Verzögerung durch Namensänderungen von Strassen und Plätzen.[2] Bojan Marjanović unterscheidet dabei vier Kategorien der Umbenennung[3]:

  • Eine zweite Kategorie ist diejenige der geographischen Begriffe: Geographische Orte, welche mit der herrschenden Ideologie verbunden sind, werden zu Namensgebern von Strassen und Plätzen. Es sind zwei Arten von Namensgebungen zu unterscheiden: Einerseits jene nach einem Ort, wo sich historisch wichtige Ereignisse abgespielt haben, andererseits jene nach dem Ort, wohin sich die Ideologie orientiert. Als Beispiel sei Medvedgrad genannt.
  • In der dritten Kategorie wird durch Umbenennung ideologisch wichtiger Ereignisse gedacht – beispielsweise einer Revolution oder ähnlichen Zäsuren, wie sie der Platz der Münchener Opfer oder der Platz der Republik einst kennzeichnete.
  • Die letzte Kategorie widmet sich den ideologischen Werten, welche durch die Umbenennung der Orte ins Kollektivgedächtnis eingeprägt werden. Gerade nach dieser Kategorie benannte Strassen und Plätze nehmen laut Marjanović die zentralsten Orte einer Stadt ein, da aus ihnen später Individuen hervorgehoben werden, welche für diese Werte nicht selten ihr Leben opferten und sich somit einen Stelle im kollektiven Gedächtnis verdienten. Als Beispiel kann hier der Platz der Opfer des Faschismus oder der Platz der kroatischen Helden dienen.

Neben diesen vier Kategorien liesse sich noch eine fünfte ausmachen: Jene derjenigen Strassen und Plätze, welche die unterschiedlichen Regimes, respektive deren Ideologien, ohne Namensänderung durchliefen, deren symbolischer Wert als zentraler Ort der Stadt allerdings nie geringer wurde – beispielsweise der Markusplatz.

Namensgebungen in NDH, SFRJ und der Republik Kroatien

Die Namensgebungen in der NDH zeichneten sich durch einen faschistischen Grundtenor aus, welcher einerseits die politische Abhängigkeit von den Achsenmächten dokumentierte (Platz der Münchener Opfer, Mussolini-Strasse), andererseits auch die Idee eines Grosskroatiens (Platz des Bans Kulin) portieren sollten.[4]

Aus dem jugoslawischen Regime resultierten teilweise paradoxe Benennungen: Während einige Quartiere bestimmten Abteilungen, militärischen Formationen oder Helden des Volksbefreiungskriegs gewidmet waren (Joža-Vlahović-Platz, Gebrüder-Kavurić-Strasse), bekamen neu erbaute Viertel Ende der 1980er Jahre die Namen kroatischer Philologen, Buchkritiker, Historiker und Anderer und schrieben sich so in eine Tradition der Vorkriegszeit ein.[5] Als Grundsatz lässt sich jedoch festhalten, dass es vor allem um eine Distanzierung vom vorangegangenen Staat NDH ging: Namen, die an Helden oder sonstige Verknüpfungen der faschistischen oder grosskroatischen Ideologie erinnerten, wurden ersetzt durch solche, die das neue sozialistische Regime ehrten beziehungsweise auf die Opfer der NDH hinwiesen (Platz der Faschismusopfer).

Die Regierung der Republik Kroatien führte ab 1991 ihrerseits die Umbenennungen so durch, dass sie einerseits die Namen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wieder einführte, andererseits neue gestaltete, um das sozialistische Erbe auszulöschen.[6] Ein wichtiger Bestandteil war dabei die Anknüpfung an das mittelalterliche Kroatien, mittels dessen eine «Kontiunuität kroatischer Staatlichkeit»[7] konstruiert wurde.[8] Ein Beispiel dafür ist im Altar der Heimat ausserhalb der Stadt zu finden. Konsequent wurde die Auslöschung der sozialistischen Vergangenheit jedoch nicht ausgeführt, wovon heute der Marschall-Tito-Platz zeugt. Die Zeit der SFRJ blieb durchaus auch in positiver Erinnerung, die sich beispielsweise in der Jugonostalgie ausdrückt und die Festlegung der heutigen Staatsgrenzen Kroatiens im Zweiten Weltkrieg betont.[9]

Anmerkungen

  1. Rihtman-Auguštin, Dunja: Ulice moga grada. Beograd 2000, S. 38.
  2. Ibid., S. 35.
  3. Die Aufzählung der Kategorien stammt aus Marjanović, Bojan: Promjena vlasti, promjena ulica. In: Diskrepancija, Bd. 12 (2007). S. 105-127, hier S. 113-115.
  4. Rihtman-Auguštin, Ulice moga grada, S. 48.
  5. Ibid., S. 43ff.
  6. Ibid., S. 44-47.
  7. Steindorff, Ludwig: Schichten der Erinnerung. Zur Klassifizierung von Gedächtnisorten in Kroatien. In: Jaworski, Rudolf/Kusber, Jan (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand. Frankfurt am Main 2003, S. 157-182, hier S. 173.
  8. Ibid., S. 173.
  9. Ibid., S. 173.