Jasenovac

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Text: XG

Memorial Gelände, Holzweg zur Steinernen Blume, Bild: VW.

In der Nähe des Ortes Jasenovac in Zentralkroatien befand sich zwischen 1941 und 1945 das grösste Arbeits- und Vernichtungslager auf dem Gebiet des «Unabhängigen Staats Kroatien» ("Nezavisna Država Hrvatska"). Im Lagerkomplex wurden Regimegegner verschiedener Nationalität, sowie Serben, Juden, Roma interniert und planmässig ermordet. Jasenovac ist ein Paradebeispiel für das Veranschaulichen der Vergangenheitspolitik Ex-Jugoslawiens. Es lässt sich aufzeigen, wie unterschiedlich ein Ereignis zu den verschiedenen Zeiten, in den unterschiedlichen Staatsformen und Regionen, unter den von verschiedenen Ideologien geprägten Bevölkerungen und Politikern verstanden, gewertet und benutzt wurde.[1]Kartensymbol 300x226.png

Jasenovac 1941-45

Das Konzentrationslager Jasenovac wurde am 21. August 1941 gegründet und streckte sich über 210 km² entlang des Flusses Save. Die Ustascha ("Ustaša") verkündete am 23. August 1941 die Eröffnung der zwei ersten Gefangenenbarracken bei den Dörfern Bročice und Krapje. Öffentlich wurde das Lager lediglich als ein Arbeitslager bezeichnet, in welchem die Gefangenen die Sumpfgebiete Lonjsko Polje trockenlegen mussten. Geheim gehalten wurde der Zweck von Jasenovac als Vernichtungslager. Im November 1941 wurde das Camp III, Ciglana (Ziegelei), eröffnet, welches später zum zentralen Hauptlager wurde. Es lag in dem Bereich des Industriekomplexes unterhalb des Dorfes Jasenovac, wo früher die Ziegeleiproduktion positioniert war. Drei Seiten des Camps waren umgeben von einer fünf Meter hohen Wand, in welche mehrere Wachtürme eingebaut wurden. Die Wand wurde mit drei Linien Stacheldraht befestigt, die an manchen Stellen elektrifiziert wurden. Die vierte Seite ging auf den Fluss Save hinaus. Camp IV lag innerhalb des Dorfes Jasenovac und die Häftlinge mussten dort in der Gerberei arbeiten.[2]
Die Lokalität für das Konzentrationslager wurde vor allem aus zwei Gründen ausgewählt. Zum einen wegen den umliegenden Flüssen und Sümpfen, welche eine Flucht erschwerten und zum anderen, aufgrund der anliegenden Bahnlinie von Belgrad nach Zagreb, welche für den Transport von Gefangenen und Gütern verwendet werden konnte.
In dem Dorf Ustica, bei dem Delta der Una und der Save, befand sich das «Zigeunerlager», in dem vor allem Roma umgebracht wurden. Die Dörfer Mlaka und Jablanac wurden in Sammellager für Frauen und Kinder umgewandelt. Das Lager Stara Gradiška wurde bekannt als ein Lager des Mordes und der Folter, in dem vor allem an Frauen und Kindern Verbrechen begangen wurden.[2]
In dem Konzentrationslager Jasenovac gab es keine Gaskammern. Die Gefangenen wurden erhängt, erschlagen, erstochen, erschossen, verbrannt oder ertränkt. [2]

Erinnerungskultur im sozialistischen Jugoslawien

Memorial Museum, Ausstellungsraum, Bild: VW.

Vor der Befreiung des Lagers durch jugoslawische Partisaneneinheiten im Mai 1945 zerstörte die Ustascha systematisch alle Unterlagen. Deshalb war es von Anfang an schwierig, die Opferzahl abzuschätzen. Unter dem Regime von Josip Broz Tito gab das Nationalkomitee zur Untersuchung der Verbrechen der Besatzungstruppen und ihrer Kollaborateuren in ihrem Bericht vom 15. November 1945 700'000 Opfer in Jasenovac an.[3] Die Täter und Opfer wurden nicht den einzelnen Nationalitäten zugeordnet. Stattdessen wurden in offiziellen Verlautbarungen die Täter als «Faschisten», die Opfer als «Kommunisten und Antifaschisten» bezeichnet. Dies, weil die jugoslawische Regierung unter dem Staatsmotto «Brüderlichkeit und Einheit» versuchte, nationale Konflikt möglichst zu unterbinden, um so den Vielvölkerstaat Jugoslawien zusammen zu halten.[4] Schon während der Zeiten Jugoslawiens begann das «Spiel der Zahlen» und der groteske Wettbewerb des grösseren Leidens. Denn je mehr Jugoslawen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen waren, desto heldenhafter konnten sich die Partisanen als Sieger über den Faschismus präsentieren und die Führungrolle der kommunistischen Partei legitimieren.[5]
1965 wurde der serbische Künstler Bogdan Bogdanović beauftragt, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers, das Denkmal die Steinerne Blume (Kameni cvijet, 1966) und einen Erinnerungspark zu entwerfen. Ausserdem liess die jugoslawische Regierung 1968 ein Museum eröffnen. Die erste Museumsausstellung wurde von der Leitung des ehemaligen Museums der Volksrevolution von Kroatien in Zagreb initiiert. In Vitrinen wurden persönliche Gegenstände von Häftlingen ausgestellt, wie zum Beispiel Zeichnungen oder Briefe. Zudem wurden originale Dokumente der Ustascha, wie eine Liste von all jenen Häftlingen, welche Post erhalten haben, gezeigt. Ausserdem wurden im Museum Fotografien aufgehängt und benutzte Waffen ausgestellt, welche den Besuchern helfen sollten, sich die Gräueltaten der Ustascha vorzustellen. Integriert in der Ausstellung war ein kleines Kino, in dem unter anderem der Film «Jasenovac 1945» des Regisseurs Bogdan Žižić gezeigt wurde. 1988 wurde die Exposition erneuert. Es wurde mehr Papiermaterial ausgestellt, wie zum Beispiel Exekutions- und Zwangsumsiedlungsaufträge. Der Schwerpunkt wurde mehr auf die Schicksale der Opfer gelegt und die Ereignisse des Lagers wurden detaillierter aufgezeigt.[4]
Zu jugoslawischen Zeiten war das Museum darauf ausgelegt, die Gräueltaten der Ustaschas darzustellen und die Besucher zu schockieren. Für Schulklassen war ein Besuch in Jasenovac obligatorisch, und vielen Kindern wurde aufgrund der brutalen Ausstellung übel. Es wurden Skelette, Bilder von Gewaltakten oder brutale Mordwerkzeuge gezeigt.[6]

Jasenovac nach dem Zerfall Jugoslawiens

Unter dem ersten Staatspräsidenten des unabhängigen Kroatiens Franjo Tuđman wurde versucht, das Ausmass des Verbrechens in Jasenovac klein zu reden und es mit den Vergehen der Partisanen und den Tschetniks ("Četnici") zu relativieren. Die offiziellen Opferzahlen wurden durch Berichte und Statements auf «nur» noch 20'000 – 50'000 Tote reduziert. Zum Teil wurde sogar behauptet, Jasenovac sei gar kein Vernichtungslager gewesen, sondern nur ein Arbeitslager. Es wurde explizit erwähnt, dass für die Taten nicht das kroatische Volk verantwortlich gemacht werden könne, sondern die Ustascha, die Besatzungsmächte oder gar die ermordeten Juden und die Kommunisten selbst. Die Serben wurden in Kroatien als Opfergruppe nicht speziell aufgelistet. In Serbien, unter dem Präsidenten Slobodan Milošević, wurde Jasenovac zum «serbischen Holocaust» stilisiert. Die kroatische Regierung legte da den Fokus auf Bleiburg, und sah dies als grösstes Verbrechen am kroatischen Volk an. So versuchten die verschiedenen, neuen Nationalstaaten, sich von aller Schuld zu befreien und sich als Opfer der Geschehnisse darzustellen. Mit jener Opferrolle und der daraus folgenden Angst einer Wiederholung der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges rechtfertigten beide Nationalstaaten ihre Taten in den 90-er Jahren. Diese Reinterpretation der kroatischen und serbischen Geschichte der 40-er Jahre wurde verwendet, um die eigene Bevölkerung von der nötigen Verteidigung zu überzeugen. Ausserdem wurde in den 90-er Jahren der Zerfall Jugoslawiens durch die Vorfälle in Jasenovac und Bleiburg als «vorbestimmt» und «natürlich» betrachtet.[7]
Franjo Tuđman hatte auch die bei den Opferangehörigen auf Protest stossende Idee, aus Jasenovac eine nationale Versöhnungsstätte zu machen, als Erinnerung «an alle kroatischen Kriegsopfer». Erst nach Tuđmans Tod wurde unter Präsident Stipe Mesić der Umgang mit Jasenovac verändert, indem versucht wurde, den Ereignissen in Jasenovac gleich viel Aufmerksamkeit wie jenen in Bleiburg zu schenken. Die Verbrechen der Ustascha wurden erstmals in einer offiziellen Rede vom Präsidenten erwähnt. Die Opferzahlen in Jasenovac wurden wieder auf ca. 70’000-100'000 Tote angehoben.[8]
Auch das Memorial Museum in Jasenovac blieb von dem Krieg in den 90-er Jahren nicht verschont. Im September 1991 wurde das Gebiet von serbischen Freischärlern annektiert und zum Teil der Republik Serbische Krajina erklärt. Die Steinerne Blume wurde durch Artilleriebeschuss beschädigt. Die meisten Ausstellungsobjekte wurden vorher evakuiert und während des Krieges von dem ehemaligen Direktor des Museums Simo Brdar in Bosnien und Herzegovina gelagert. Im Jahr 2000 wurden die Objekte im United States Holocaust Memorial Museum ausgestellt und 2001 wieder zurück nach Jasenovac gebracht. Auch heute noch wird das Jasenovac Memorial Museum von vielen Nationalisten als eine kommunistische Institution kritisiert und wird sowohl von serbischen als auch kroatischen Rechtsextremen negativ beurteilt. Im Gegensatz zu jugoslawischen Zeiten ist der Besuch für Schulklassen nicht mehr obligatorisch. Die heutige Ausstellung wurde 2006 eröffnet und basiert auf dem von der kroatischen Historikerin Nataša Mataušić entworfenen Konzept. Das Ziel der neusten Exposition ist, den Besuchern anhand von personellen Einzelschicksalen die Dimensionen der Massenverbrechen in Jasenovac aufzuzeigen. Mit Hilfe verschiedener Medien, audio-visuelle Zeugenaussagen, Bildschirmpräsentationen, digitalen Fotografien etc., können viel mehr Informationen ausgestellt werde. An der Decke des Museums sind Glasplatten aufgehängt, in welche alle bis jetzt gesammelten Namen der Opfer eingraviert wurden.[9] Jene Liste von 83'145 Namen ist auch online zu finden, inklusive biografischen Angaben wie Geburts- und Todestag, Nationaliät und Todesursache.[10]

Anmerkungen

  1. Sundhaussen, Holm: Das Konzentrationslager Jasenovac (1941-1945). Konstruktion und Dekonstruktion eines Kriegsverbrechens und Weltkriegsmythos. In: Wette, Wolfram / Überschär, Gerd, (Hg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Darmstadt 2001, S. 370-381.
  2. 2,0 2,1 2,2 http://jasenovac.org (Stand: 17.11.2014).
  3. http://www.ceskenarodnilisty.cz/clanky/prof-dr-rajko-dolecek-drsc-jasenovac-tabor-pro-vyvrazdovani-srbu-romu-a-zidu.html
  4. 4,0 4,1 http://jasenovac.org/whatwasjasenovac.php (Stand: 17.11.2014).
  5. MacDonald, David Bruce: Balkan holocausts? Serbian and Croatian victim-centred propaganda and the war in Yugoslavia. New York 2002, S. 160-163.
  6. «Maja Kućan (Jasenovac, 17.6.14).»
  7. MacDonald, Balkan holocausts, S. 176-178.
  8. Radonić, Ljiljana: Krieg um die Erinnerung: Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. Frankfurt am Main 2010, S. 348-403.
  9. http://www.jusp-jasenovac.hr/Default.aspx?sid=6559 (Stand: 17.11.2014).
  10. http://www.jusp-jasenovac.hr/Default.aspx?sid=7620 (Stand: 17.11.2014).

Literaturliste (Auswahl)

Robionek, Bernd / Müller, Nils / Vulesica, Marija: Erinnerungskultur in Dalmatien. Vom Partisanenkult zur Repräsentation der Nationalstaatlichkeit. Berlin 2010.

Gautschi, Peter: Vergessen oder erinnern? Zürich 2001.

Sundhaussen, Holm: Das Konzentrationslager Jasenovac (1941-1945). Konstruktion und Dekonstruktion eines Kriegsverbrechens und Weltkriegsmythos. In: Wette, Wolfram / Überschär, Gerd (Hg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Darmstadt 2001.

Karge, Heike: Steinerne Erinnerung – versteinerte Erinnerung? Kriegsgedenken in Jugoslawien (1947-1970). In: Balkanologische Veröffentlichungen, 49. Wiesbaden 2010.

Kuljić, Todor: Umkämpfte Vergangenheiten: die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum. Berlin 2010.

MacDonald, David Bruce: Balkan holocausts? Serbian and Croatian victim-centred propaganda and the war in Yugoslavia. New York 2002.

Radonić, Ljiljana: Krieg um die Erinnerung: Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. Frankfurt am Main 2010.

Weiterführende Links

• Jasenovac [1] (Stand: 17.11.2014).

• Jasenovac Memorial Site [2] (Stand: 17.11.2014).

• Namensliste der Opfer in Jasenovac [3] (Stand: 17.11.2014).