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Als Massaker von Bleiburg werden eine Serie von Kriegsverbrechen bezeichnet, welche 1945 von der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee an den Truppen des faschistischen, unabhängigen Staates Kroatiens und slowenischen Truppen verübt worden sind. Benannt sind sie nach der Region der Vorfällen, dem Ort Bleiburg (Kärnten). Angesichts der drohenden Niederlage gegen die Partisanen zogen sich die Truppen der USK und andere Gruppierungen, die mit den Besatzungsmächten kollaboriert hatten, aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen durch die Volksbefreiungsarmee über Slowenien aus Jugoslawien zurück und versuchten im Mai 1945 in das von den Alliierten besetzte  Österreich zu gelangen. Zu den Flüchtenden gehörte die [[Ustascha]]-Miliz, muslimische Einheiten aus Bosnien und der Herzegowina, die kroatische Heimwehr, Serbisches Freiwilligenkorps, [[Tschetniks]] (Četnici), Kosaken, die slowenische Landwehr und zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten. In Bleiburg stiessen die Flüchtenden auf die britische und die jugoslawische Armee. Die Kommandeure der Truppen des [[Unabhängiger Staat Kroatien | Unabhängigen Staates Kroatiens]] baten die Briten um Asyl und kapitulierten am 14. Mai, nach der Ablehnung, bedingungslos. In einem britisch-jugoslawischen Militärabkommen wurde am 19. Mai 1945 der Abzug jugoslawischer Truppen aus Bleiburg, sowie die Auslieferung aller «jugoslawischen Staatsangehörigen» beschlossen. Die Partisanen trieben die Flüchtlinge über Unterdrauburg (Dravograd) zurück nach Slowenien und Kroatien, wo sie in Lager untergebracht wurden. Die bekanntesten Lager sind Tüchern (Teharje) und Sterntal (Kidričevo) nordwestlich von Ljubljana und Lager in der Vojvodina. Auf diesen Todesmärschen sind viele an Erschöpfung, Krankheiten, folgen von Misshandlungen gestorben oder sie wurden aus nichtigen Gründen erschossen. Auf den Strecken wurden später viele Massengräber gefunden, doch das genaue Ausmass der Exekutionen ist unbekannt. <ref> Völkl, Ekkehard. Abrechnungsfuror in Kroatien. In: Henke, Klaus-Dietmar und Woller, Hans (Hrsg.): ''Politische Säuberung in Europa: die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg''. München 1991, S. 358-394. </ref> <br />
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Als Massaker von Bleiburg werden eine Serie von Kriegsverbrechen bezeichnet, welche 1945 von der jugoslawischen [[Volksbefreiungsarmee]] an den Truppen des faschistischen, [[Unabhängiger Staat Kroatien|Unabhängigen Staates Kroatiens]] und slowenischen Truppen verübt worden sind. Benannt sind sie nach der Region der Vorfällen, dem Ort Bleiburg (Kärnten). Angesichts der drohenden Niederlage gegen die Partisanen zogen sich die Truppen der USK und andere Gruppierungen, die mit den Besatzungsmächten kollaboriert hatten, aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen durch die Volksbefreiungsarmee über Slowenien aus Jugoslawien zurück und versuchten im Mai 1945 in das von den Alliierten besetzte  Österreich zu gelangen. Zu den Flüchtenden gehörte die [[Ustascha]]-Miliz, muslimische Einheiten aus Bosnien und der Herzegowina, die kroatische Heimwehr, Serbisches Freiwilligenkorps, [[Tschetniks]] (Četnici), Kosaken, die slowenische Landwehr und zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten. In Bleiburg stiessen die Flüchtenden auf die britische und die jugoslawische Armee. Die Kommandeure der Truppen des [[Unabhängiger Staat Kroatien | Unabhängigen Staates Kroatiens]] baten die Briten um Asyl und kapitulierten am 14. Mai, nach der Ablehnung, bedingungslos. In einem britisch-jugoslawischen Militärabkommen wurde am 19. Mai 1945 der Abzug jugoslawischer Truppen aus Bleiburg, sowie die Auslieferung aller «jugoslawischen Staatsangehörigen» beschlossen. Die [[Partisanenkampf|Partisanen]] trieben die Flüchtlinge über Unterdrauburg (Dravograd) zurück nach Slowenien und Kroatien, wo sie in Lager untergebracht wurden. Die bekanntesten Lager sind Tüchern (Teharje) und Sterntal (Kidričevo) nordwestlich von Ljubljana und Lager in der Vojvodina. Auf diesen Todesmärschen sind viele an Erschöpfung, Krankheiten, folgen von Misshandlungen gestorben oder sie wurden aus nichtigen Gründen erschossen. Auf den Strecken wurden später viele Massengräber gefunden, doch das genaue Ausmass der Exekutionen ist unbekannt. <ref> Völkl, Ekkehard. Abrechnungsfuror in Kroatien. In: Henke, Klaus-Dietmar und Woller, Hans (Hrsg.): ''Politische Säuberung in Europa: die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg''. München 1991, S. 358-394. </ref> <br />
Im sozialistischen Jugoslawien war Bleiburg tabuisiert. Vor allem in dem [[kollektives Gedächtnis|kollektiven Gedächtnis]] Kroatiens haben die Massaker von Bleiburg eine grosse Bedeutung. Bleiburg wurde zum Symbol der Unterdrückung Kroatiens im Zweiten Weltkrieg und später unter dem kommunistischen Regime. In der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens war es verboten von den Massakern und ihren Ausmassen und den Verbrechen der Partisanen zu sprechen. Die Massaker von Bleiburg boten Kroaten vor allem ab den 90er Jahren einen «eigenen Holocaust» im Gegensatz zu den Ereignissen in [[Jasenovac]], welche in Serbien als «Völkermord an den Serben» betitelt werden. Die eigenen Verbrechen des [[Ustascha]]-Regimes konnte damit mit den Verbrechen der Partisanen am eigenen Volk relativiert werden. Ausserdem kann Kroatien damit als unfreiwilliger Beteiligter und Gefangener Jugoslawiens dargestellt werden. <ref> MacDonald, David Bruce. Balkan holocausts?. New York 2002, S. 170-172. </ref>
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Im sozialistischen Jugoslawien war Bleiburg tabuisiert. Vor allem in dem [[kollektives Gedächtnis|kollektiven Gedächtnis]] Kroatiens haben die Massaker von Bleiburg eine grosse Bedeutung. Bleiburg wurde zum Symbol der Unterdrückung Kroatiens im Zweiten Weltkrieg und später unter dem kommunistischen Regime. In der [[Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien|Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens]] war es verboten von den Massakern und ihren Ausmassen und den Verbrechen der Partisanen zu sprechen. Die Massaker von Bleiburg boten Kroaten vor allem ab den 90er Jahren einen «eigenen Holocaust» im Gegensatz zu den Ereignissen in [[Jasenovac]], welche in Serbien als «Völkermord an den Serben» betitelt werden. Die eigenen Verbrechen des [[Ustascha]]-Regimes konnte damit mit den Verbrechen der Partisanen am eigenen Volk relativiert werden. Ausserdem kann Kroatien damit als unfreiwilliger Beteiligter und Gefangener Jugoslawiens dargestellt werden. <ref> MacDonald, David Bruce. Balkan holocausts?. New York 2002, S. 170-172. </ref>
  
  

Version vom 1. Dezember 2014, 13:41 Uhr

Denkmal an die Opfer der Massaker von Bleiburg auf dem Mirogoj Friedhof, Bild: VW.

Als Massaker von Bleiburg werden eine Serie von Kriegsverbrechen bezeichnet, welche 1945 von der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee an den Truppen des faschistischen, Unabhängigen Staates Kroatiens und slowenischen Truppen verübt worden sind. Benannt sind sie nach der Region der Vorfällen, dem Ort Bleiburg (Kärnten). Angesichts der drohenden Niederlage gegen die Partisanen zogen sich die Truppen der USK und andere Gruppierungen, die mit den Besatzungsmächten kollaboriert hatten, aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen durch die Volksbefreiungsarmee über Slowenien aus Jugoslawien zurück und versuchten im Mai 1945 in das von den Alliierten besetzte Österreich zu gelangen. Zu den Flüchtenden gehörte die Ustascha-Miliz, muslimische Einheiten aus Bosnien und der Herzegowina, die kroatische Heimwehr, Serbisches Freiwilligenkorps, Tschetniks (Četnici), Kosaken, die slowenische Landwehr und zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten. In Bleiburg stiessen die Flüchtenden auf die britische und die jugoslawische Armee. Die Kommandeure der Truppen des Unabhängigen Staates Kroatiens baten die Briten um Asyl und kapitulierten am 14. Mai, nach der Ablehnung, bedingungslos. In einem britisch-jugoslawischen Militärabkommen wurde am 19. Mai 1945 der Abzug jugoslawischer Truppen aus Bleiburg, sowie die Auslieferung aller «jugoslawischen Staatsangehörigen» beschlossen. Die Partisanen trieben die Flüchtlinge über Unterdrauburg (Dravograd) zurück nach Slowenien und Kroatien, wo sie in Lager untergebracht wurden. Die bekanntesten Lager sind Tüchern (Teharje) und Sterntal (Kidričevo) nordwestlich von Ljubljana und Lager in der Vojvodina. Auf diesen Todesmärschen sind viele an Erschöpfung, Krankheiten, folgen von Misshandlungen gestorben oder sie wurden aus nichtigen Gründen erschossen. Auf den Strecken wurden später viele Massengräber gefunden, doch das genaue Ausmass der Exekutionen ist unbekannt. [1]
Im sozialistischen Jugoslawien war Bleiburg tabuisiert. Vor allem in dem kollektiven Gedächtnis Kroatiens haben die Massaker von Bleiburg eine grosse Bedeutung. Bleiburg wurde zum Symbol der Unterdrückung Kroatiens im Zweiten Weltkrieg und später unter dem kommunistischen Regime. In der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens war es verboten von den Massakern und ihren Ausmassen und den Verbrechen der Partisanen zu sprechen. Die Massaker von Bleiburg boten Kroaten vor allem ab den 90er Jahren einen «eigenen Holocaust» im Gegensatz zu den Ereignissen in Jasenovac, welche in Serbien als «Völkermord an den Serben» betitelt werden. Die eigenen Verbrechen des Ustascha-Regimes konnte damit mit den Verbrechen der Partisanen am eigenen Volk relativiert werden. Ausserdem kann Kroatien damit als unfreiwilliger Beteiligter und Gefangener Jugoslawiens dargestellt werden. [2]


Anmerkungen

  1. Völkl, Ekkehard. Abrechnungsfuror in Kroatien. In: Henke, Klaus-Dietmar und Woller, Hans (Hrsg.): Politische Säuberung in Europa: die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg. München 1991, S. 358-394.
  2. MacDonald, David Bruce. Balkan holocausts?. New York 2002, S. 170-172.


Literaturliste (Auswahl)

Gautschi, Peter. Vergessen oder erinnern? Zürich 2001.

MacDonald, David Bruce. Balkan holocausts?. New York 2002.

Kuljić, Todor. Umkämpfte Vergangenheiten: die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum. Berlin 2010.

Radonić, Ljiljana. Krieg um die Erinnerung. Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. Frankfurt am Main 2010.

Rulitz, Florian. Die Tragödie von Bleiburg und Viktring. Partisanengewalt in Kärnten am Beispiel der antikommunistischen Flüchtlinge im Mai 1945. Klagenfurt/Ljubljana/Wien 2011.

Völkl, Ekkehard. Abrechnungsfuror in Kroatien. In: Henke, Klaus-Dietmar und Woller, Hans (Hrsg.): Politische Säuberung in Europa: die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg. München 1991.