Der Neue jugoslawische Film

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Der Neue Jugoslawische Film (Novi jugoslavenski film, 1963-1973) ist in der Geschichte des jugoslawischen Films die bisher spannendste Epoche. Dank der Dezentralisation des Filmwesens Anfang der 60er Jahre ergab sich für die Regisseure in allen Teilrepubliken eine wesentlich freiere Filmproduktion, was zu einer im jugoslawischen Raum völlig neuen Art von Film führte.[1]


Ursprünge

Der Neue Jugoslawische Film lehnte sich am Poetischen Realismus Frankreichs und dem italienischen Neorealismus an. Die französischen Filme der 1930er Jahren fokussierten vor allem auf Konflikte zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Der Poetische Realismus war die Grundlage des später in Italien aufkommenden Neorealismus (1943-1954), welcher während der Zeit des Faschismus entstand und zum Ziel hatte, die Wahrheit zu zeigen.

Diese Filme wurden immer an Originalschauplätzen und ohne speziell für diesen Zweck hergestellte Kostüme gedreht. Ausser dem spielten sich die Geschichten immer in der Gegenwart ab und handelten von existenziellen Themen wie beispielsweise wie Armut oder Ungerechtigkeit.[2]

Der Neue Film

Grundpfeiler für die moderne jugoslawische Kinematografie bildeten sowohl die jugoslawische Kinemathek als auch die Entstehung und Verbreitung der Kinoklubs in den meisten grösseren Zentren Jugoslawiens . Die Kinemathek entstand zur gleichen Zeit wie die SFRJ und hatte zur Hauptaufgabe, Filme und Filmmaterial zu konservieren und zu erhalten, die Filmkultur und -kunst zu fördern, jugoslawische Filmgeschichte zu lehren und auch Filme zu zeigen. [3] Einerseits dienten die Kinoklubs der Kommunikation der Cineasten untereinander, andererseits konnten sich hier junge Künstler entfalten und verwirklichen. Den Anstoss zur Umpolung gab politische und ökonomische Liberalisierung der Verfassung 1963 des SFRJ, diese ermöglichte auch die Dezentralisierung und Liberalisierung des Filmwesens.

Die Bewegung des Neuen Jugoslawischen Films lässt sich bezüglich der Regisseure in zwei Teile spalten. Die erste Generation der Regisseure wuchs mit dem Krieg auf, manche begannen Anfang der 50er Jahre an der Akademie für Theater, Film, Radio und Fernsehn beispielsweise in Belgrad Regie zu studieren. Die Filme der ersten Generation wurden zwar damals realisiert, gewannen jedoch erst in den 60er Jahren an Bedeutung. Zur ersten Generationen gehören Regisseure wie Želimir Žilnik, Živojin Pavlović und Aleksandar Petrović. Es kam vor, dass Regisseure der ersten Generation Regisseure der zweiten unterrichteten. So gab beispielsweise Petrović sein Wissen unter anderem an Lazar Stojanović und Jovan Jovanović weiter.[4] [5]

Thematik

Standbild aus dem Film Frühe Werke («Rani radovi», 1969) von Želimir Žilnik

Im Gegensatz zu den Partisanenfilmen behandelten die neuen Filme unter anderem auch die Kriege der Nationalitäten untereinander, der Kommunisten und Nichtkommunisten, der Tschetniks (Četniks) und der Ustascha (Ustaša), der mit den deutschen Truppen verbundenen faschistischen Kroaten und den slowenischen Soldaten. Somit wurde statt auf den heroischen Befreiungskrieg auf nationale Tragödien (wie beispielsweise der Schlacht an der Neretva) fokussiert. Der Neue Film sprach die aus der Wirtschaftsform resultierenden sozialen Probleme auf verschiedene Weisen an. In den Filmen wurde Kritik an der Bürokratie und der Korruption ausgeübt, die Mängel des Sozialstaates wie Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit wurden aufgezeigt. Desweiteren wurden auch Sexualität, Narkomanie und Kriminalität enttabuisiert. Während der kritische Charakter der Werke international auf Begeisterung stiess, hatten sie im SFRJ vorerst wenig Resonanz.[6]

Bezeichnung Schwarze Welle («crni talas»)

Durch die Zuspitzung der Filmhandlungen und der Thematik über die Jahre wurde das Regime aktiv und griff mittels einer inoffiziellen Zensur durch. Nach dem Filmfestival 1969 in Pula nannte der Autor Vladimir Jovičić die Filme dieser Epoche im Tagblatt Borba «Schwarze Welle in unserem Film» («crni talas u našem filmu»). Der Antioptimismus und die sarkastische Ironie stossen beim Regime auf Unmut und ziehen eine inoffizielle Zensur nach sich. Die Regisseure wurden gebeten, das Drehbuch nochmals zu überarbeiten oder den Beruf zu wechseln. Beispielsweise der Film Der plastische Jesus («plastični isus», 1973) war dermassen provokativ, dass dessen Regisseur Lazar Stojanović für drei Jahre ins Gefängnis musste. Viele Filme wurden schliesslich in ein Filmarchiv verbannt und fanden erst gar nicht zum jugoslawischen Volk. Auch diejenigen Filme, die es auf die Leinwand schafften, verschwanden oft nach kürzester Zeit wieder. In den darauf folgenden Jahren ersetzte der Begriff Schwarze Welle rhetorisch sowohl im Inland als auch im Ausland den bisherigen des Neuen Films. Da die Filme damals vielleicht gerade durch deren politische Unerwünschtheit in Jugoslawien im Gespräch blieben und international viel Aufmerksamkeit erhielten, war das Echo im Ausland laut und anhaltend. [7][8]

Literaturliste (eine Auswahl)

  • Goulding, Daniel: jugoslavensko filmsko iskustvo, 1945.-2001. . Zagreb 2004
  • De Cuir Jr., Greg: jugoslovenski crni talas. Polemički film od 1963 do 1972 u Socialističkoj Federativnoj Republici Jugoslaviji. Filmski centar Srbije, Belgrad 2011
  • Kirn Gal, Sekulić Dubravka and Testen Žiga: Surfing the Black Wave. Yugoslav Black Wave Cinema and Its Transgressive Moments. Jan van Eyck Academie

Anmerkungen

  1. http://www.filmfestival-goeast.de/index.php?article_id=975&clang=0 (Stand: 18.11.14)
  2. http://de.wikipedia.org/wiki/Italienischer_Neorealismus (Stand: 12.10.14); http://de.wikipedia.org/wiki/Nouvelle_Vague (Stand: 12.10.14)
  3. Greg DeCuir. Yugoslav Black Wave, Polemical Cinema from 1963-72 in the Socialist Federel Republic of Yugoslavia
  4. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5521 (Stand: 26.10.14)
  5. Greg DeCuir. Yugoslav Black Wave, Polemical Cinema from 1963-72 in the Socialist Federel Republic of Yugoslavia
  6. http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=104 (Stand: 26.10.14)
  7. Simeunović, T. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/simeunovic.pdf (Stand: 26.10.14)
  8. http://www.filmske-radosti.com/%C4%8Clanci/Crni-talas (Stand: 12.10.14)