Josip Broz Tito

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Josip Broz Tito


Josip Broz Tito (1892-1980) war Staatschef Jugoslawiens und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) in den Jahren 1945 bis 1980. Tito erreichte erstmals Bekanntheit in der Weltöffentlichkeit durch den langjährigen Widerstand seiner Partisanenarmee im Zweiten Weltkrieg gegen das Deutsche Reich und das faschistische Italien. Nach der Befreiung Jugoslawiens zeichnete sich Titos Herrschaftsstil durch grosse Volksnähe und einem aufwändig betriebenen Personenkult aus. Heute ist die Bedeutung Titos umstritten und ist sowohl positiv als auch negativ konnotiert in den postjugoslawischen Staaten.

Leben


Josip Broz, geboren im damals österreichisch-ungarischen Kumrovec, kam bereits während seiner Ausbildung zum Schlosser in Sisak erstmals mit sozialdemokratischen Ideen in Kontakt.[1] Der Soldat Josip Broz geriet im Verlauf des Ersten Weltkrieges, in der österreichisch-ungarischen Armee dienend, in russische Kriegsgefangenschaft. 1917 erlebte er dort die Oktoberrevolution. Anfang der 30er Jahre war Tito bei der Komintern in Moskau tätig, wo er sich bald als Anführer der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) herauskristallisierte. Nach der Besetzung Jugoslawiens 1941 durch die Achsenmächte, organisierte Tito den bewaffneten Widerstand gegen die Besatzer. Dieser Aufstand sollte nicht nur zur Befreiung Jugoslawiens dienen, sondern gleichzeitig zu einer kommunistischen Revolution führen.[2] Als Tito mit den Partisanen den bewaffneten Aufstand wagte, hatten sie es nicht nur mit der fremden Besatzung zu tun, sondern auch mit Gegnern des sozialistischen Gedankengutes im eigenen Land. Nennenswert sind vor allem die Tschetniks, denen man Kollaboration mit den faschistischen Mächten Deutschland und Italien vorwarf. Da die jugoslawische Regierung sich im Exil befand, wurde auf Titos Forderung in Jajce der Antifaschistische Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) im Jahr 1944 gegründet.[3] 1944 gewann die Sowjetunion die Oberhand im Kampf um die Balkanhalbinsel, so dass Titos Partisanen gemeinsam mit der Roten Armee am 23.10.1944 Belgrad befreien konnten. Kurz daraufhin wurde das restliche Jugoslawien befreit. Als Tito die Befreiung des Landes gleichzeitig zu einer kommunistischen Revolution nutzen konnten, war dies der erste erfolgreiche kommunistische Umsturz nach der Russischen Revolution. Dadurch genoss Tito grosse Beliebtheit bei vielen linken Parteien auf der Welt. 1948 zeichnete sich der Bruch mit Stalin und der Sowjetunion ab. Dieser Bruch ist zugleich die Geburtsstunde des eigentlichen Titoismus, als Gegenmodell zur damaligen Herrschaftspraxis unter dem Stalinismus.[4] Einem eigenen, jugoslawischen Weg folgend, wurde Tito zu einem der Mitbegründer der Bewegung Blockfreien Staaten. Josip Broz wurde im Jahre 1980 mit einer Thrombose im Bein in ein Krankenhaus in Ljubljana eingeliefert. Nach monatelangem Krankenhausaufenthalt verstarb Tito am 4. Mai 1980.[5] Nach seinem Tod 1980 brach das ethnisch vielfältige Jugoslawien unter dem wachsenden Nationalismus der einzelnen Teilrepubliken in den 90er Jahren zusammen.

Herrschaftsstil


Einer der ersten Neuerungen des Staates unter Tito war die neue Nationalitätenpolitik unter dem Motto: «Brüderlichkeit und Einheit».[6] Um die Informationsverbreitung kontrollieren zu können, wurden die Massenmedien unmittelbar nach dem Krieg auf Parteilinie gebracht.[7] Ein wichtiger Schritt um die Beeinflussung der Massen effektiver gestalten zu können war die Durchführung von grossangelegten Alphabetisierungskampagnen. Auch wenn die Medien zunächst strenger Zensur unterstanden, hielt Tito an einer kulturellen Liberalisierung fest und liess diverse, westliche Autoren ins Serbokroatische übersetzen. Zumindest nominell herrschte ab den 60er Jahren Pressefreiheit. Kritik an Titos Person war jedoch weiterhin tabu.[8] Die Stilisierung Titos als Vaterfigur, welcher zum «Lehrer der jugoslawischen Völker»[9] avancierte, war ein charakteristisches Merkmal für seine Herrschaftszeit und stimmte mit den patriarchischen Traditionen überein. Tito beantwortete beispielsweise gerade in der Anfangszeit seiner Herrschaft persönliche Briefe und liess materielle Hilfe zukommen in Einzelfällen.[10] Weiter übernahm er ebenfalls zahlreiche Patenschaften für Familien, welche vor allem aus dem bäuerlichen Milieu stammten. Die Volksnähe, welche seine Herrschaft charakterisiert, wird durch seine zahlreichen Besuche in verschiedenen Städten Jugoslawiens untermauert.

Tito Heute


Die Erinnerung an Tito ist in den post-jugoslawischen Staaten äusserst vielfältig und kann nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Generell ist Tito in Mazedonien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro beliebter als in Serbien und Kroatien, welche über staatliche Traditionen verfügen die bis ins Mittelalter reichen.[11] Im Dokumentarfilm «Tito po drugi put među Srbima» («Tito, zum zweiten Mal unter den Serben»), welcher 1993 während des Bosnienkrieges gedreht wurde, zeigt das Phänomen der Tito Nostalgie. Als ein Schauspieler als Tito verkleidet durch die Strassen Belgrads schreitet, wird er von Passanten angesprochen als sei er Tito selbst. Die Passanten haben unterschiedlichste Erinnerungen an Jugoslawien und Tito: Einige klagen über die aktuellen Zustände und zeigen sich verbittert über den Krieg, andere beten ihn zurückzukehren. Tito steht heute jedoch oft auch für Antiliberalismus und Totalitarismus und symbolisiert somit als Vaterfigur auf der anderen Seite gegensätzliche Wertesysteme.[12]

Einzelnachweise


  1. Swain, Geoffrey: Tito. A Biography. London, 2011, S. 6.
  2. Ebd., S. 29-30.
  3. Ridley, Jaspar: Tito. London, 1994, S.194-195.
  4. West, Richard: Tito and the Rise and Fall of Yugoslavia. London, 1994, S. 242-243.
  5. Ridley, Jaspar: Tito. S. 414-415.
  6. Höpken, Wolfgang: Umkämpfte Vergangenheit. Göttingen, 1999, S. 214
  7. Halder, Marc: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München, 2013, S. 137.
  8. Ebd., S.140-142.
  9. Höpken, Wolfgang: Umkämpfte Vergangenheit. S. 218.
  10. Halder, Marc: Der Titokult. S. 158-159.
  11. Kuljić, Todor: Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum. Berlin, 2010, S. 140.
  12. Ebd., 146.

Bibliografie


Halder, Marc: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München, 2013.

Höpken, Wolfgang: Umkämpfte Vergangenheit. Göttingen, 1999.

Kuljić, Todor: Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum. Berlin, 2010.

Ridley, Jaspar: Tito. London, 1994.

Swain, Geoffrey: Tito. A Biography. London, 2011.

West, Richard: Tito and the Rise and Fall of Yugoslavia. London, 1994.