Der jugoslawische Partisanenfilm

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Version vom 26. Oktober 2014, 20:51 Uhr von Nina K. (Diskussion | Beiträge) (Der Neue jugoslawische Film («novi jugoslavenski film»))
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Der Partisanenfilm gilt als erfolgreichstes Genre der jugoslawischen Filmgeschichte. Es handelt sich dabei um Kriegsfilme, welche den Befreiungskampf der Partisanen gegen die Besatzer und Kollaborateure darstellen.[1]


Ideologie des Partisanenfilms

Das Thema eignete sich ideal, da der Befreiungskampf und Widerstand gegen die deutschen Belagerer die Grundlage und Legitimation des kommunistischen Regimes unter Tito darstellte. Durch die Glorifizierung der Vergangenheit konnte man auch auf die Gegenwart Einfluss nehmen. So werden die Partisanenfilme zu Trägern der Ideologie.[2] Die «Brüderlichkeit» und «Einheit», welche die Schlagwörter des sozialistischen Jugoslawiens waren, kamen in den Geschichten der Befreiungskämpfer besonders zur Geltung. Das Partisanenthema bot sich aus diesen Gründen für die staatliche jugoslawische Filmindustrie an.


Frühe Partisanenfilme

In vielen Ländern Europas wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Partisanenfilme produziert. Der erste seiner Art war Slavica von Vjekoslav Afrić (Slavica, 1947). Zeitgleich war es auch der erste Spielfilm im noch jungen Staat Jugoslawien überhaupt.[3] Die frühen Partisanenfilme waren stark an die sowjetischen Kriegsfilme angelehnt. Sie folgten dem Prinzip des Sozialistischen Realismus (Sozrealismus). Diese Stilrichtung war eng mit der Person Stalins verbunden. Nachdem Josip Broz Tito ab 1948 mit dem System und der Idee des Stalinismus brach, verschwanden die Elemente des Sozrealismus nach und nach auch aus den Kinoproduktionen. Es begann eine Phase in der die Filme neben dem heimischen Publikum gezielt auch ausländische Märkte erreichen sollten.[4] Internationale Koproduktionen wie der österreichisch-jugoslawische Partisanenfilm Die Letzte Brücke (Poslednji Most, 1954) füllten die Kinosäle auch im Ausland. In den 60er Jahren entwickelte sich in Jugoslawien eine Bewegung in der Filmszene, welche «Schwarze Welle» genannt wurde. Der Partisanenkampf blieb weiterhin eine häufige Thematik der Filme, wurde aber nun auch kritischer beleuchtet. Der Film Der Mann aus dem Eichenwald (Čovek iz hrastove šume, 1964) von Miodrag Popović zeigt das Partisanentum und den Zweiten Weltkrieg ohne Pathos.


Die «Rote Welle»

«Nichts Negatives über den Präsidenten Tito, die Revolution und die Partisanen, die Jugoslawische Volksarmee, die Selbstverwaltung sowie die Brüderlichkeit und Einigkeit der jugoslawischen Völker. Die Kriegsvergangenheit und die sozialistische Gegenwart sollten verehrt, ihre Heiligkeit durfte nicht in Frage gestellt werden. Der Glaube an die Stärke und Aufrichtigkeit der sozialistischen Jugend sollte ebenfalls gestärkt werden.»[5]

Dies waren die ungeschriebenen Regeln für den Film in Jugoslawien, nach denen die Partisanenfilme in den späten 60er bis 70er Jahren gedreht wurden. Daher wird dieses staatliche Filmprogramm auch als «Rote Welle» bezeichnet.[6] Aufgrund des oft einfachen Handlungsbogens und der stereotypischen Charakterzeichnung werden die Partisanenfilme oft mit Hollywoodproduktionen verglichen. Vor allem bietet sich das Genre des amerikanischen Westerns zum Vergleich an, da es sich ebenfalls um eine stilisierte Darstellung der Vergangenheit handelt. So kann man die Partisanenfilme auch als «Rote Western» bezeichnen.[7] Die Filme waren in ihrer Wirkung auf eine breite Masse ausgelegt und wurden so z.B. zum Standardbesuchsziel für Schulklassen in Jugoslawien.[8] Filme wie Valter brani Sarajevo von Hajrudin Krvavac wurden zu internationalen Kassenschlagern. Die Geschichte über den Partisanen des Untergrunds aus dem Jahr 1972 erfreute sich vor allem in den kommunistischen Ländern grosser Beliebtheit und gilt noch heute als absoluter Kultfilm. Für Bitka na Neretvi aus dem Jahr 1968 konnte Regisseur Veljko Bulajić internationale Topstars gewinnen. Der Film, der auf einer wahren Episode des Zweiten Weltkriegs basiert, wurde 1970 sogar für den Oscar nominiert.


Partisanenfilme nach der «Roten Welle»

In den 80er Jahren rückte das Partisanenthema in der Filmindustrie in den Hintergrund. Mit dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) zerfiel auch der Partisanenfilm. Die Filme der 90er Jahre behandelten grösstenteils den Sezessionskrieg, griffen allerdings öfters auf die Partisanenfilme zurück. Noch heute gelten die Partisanenfilme als grösster Träger der Jugonostalgie und werden regelmässig in den Kinos gezeigt.[9]


Der Neue jugoslawische Film («novi jugoslavenski film»)

1. Geschichtlicher Hintergrund[10]


Der Ursprung des Neuen Jugoslawischen Films ist im Poetischen Realismus Frankreichs Anfang der 1930er Jahren zu finden. Thematisiert wurden vor allem Konflikte zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Der Poetische Realismus ist die Grundlage des später in Italien aufkommenden Neorealismus (1943-1954), welcher während der Zeit des Faschismus entstand und zum Ziel hatte, die Wahrheit zu zeigen.

Charakteristisch für diese Filme sind die Erzählzeit und der Drehort. Gedreht wurde immer an Originalschauplätzen und ohne hergestellte Kostüme. Ausserdem spielten sich die Geschichten immer in der Gegenwart ab und handelten von Existenziellem wie Armut oder Ungerechtigkeit.


2. Der Neue Film[11],[12],[13],[14],[15]


Die 1963 in Kraft tretende dritte Verfassung des SRFJ ermöglichte durch Dezentralisierung und Liberalisierung eine grössere Vielfalt der Filmproduktion als bis her. Weitere Grundpfeiler für die moderne jugoslawische Kinematografie bilden sowohl die jugoslawische Kinemathek als auch die Entstehung und Verbreitung der Kinoklubs. Im Gegensatz zu den Partisanenfilmen behandeln die Filme dieser Bewegung unter anderem den sogenannten Bruderkrieg, sprich die Kriege der Nationalitäten untereinander, der Kommunisten und Nichtkommunisten, der Četniks und der Ustaša und anderen. Somit wurde statt auf heroische Befreiungskriege auf nationale Tragödien fokussiert. Der Neue Film spricht die aus der Wirtschaftsform resultierenden sozialen Probleme auf verschiedene Weisen an. Während der kritische Charakter und die Meinungsvielfalt der Werke international auf Begeisterung stiess, hatten sie im SRFJ vorerst wenig Resonanz.

Es wird Kritik an der Bürokratie und der Korruption ausgeübt, die Mängel des Sozialstaates wie Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit werden aufgezeigt. Desweiteren werden auch Sexualität, Narkomanie und Kriminalität enttabuisiert.

1969 wird diese Bewegung am Filmfestival in Pula als Schwarze Welle (crni talas) betitelt, der Antioptimismus und die sarkastische Ironie stossen beim Regime auf Unmut. Die Regisseure wurden etwa gebeten, das Drehbuch nochmals zu überarbeiten oder den Beruf zu wechseln, viele Filme wurden schliesslich «verbotlos verboten» (zabranjeni bez zabrane). Dusan Makajev musste seine Arbeit ins Ausland verlegen, Lazar Stojanović wurde für seinen Film «Der Jesus aus Platik» (plastični isus, 1971) gar zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Bewegung des Neuen Jugoslawischen Films lässt sich bezüglich der Regisseure in zwei Teile spalten. Die erste Generation der Regisseure wuchs mit dem Krieg auf und begann Anfang der 50er Jahre an der Theater-, Film-, Radio- und Fernsehakademie Belgrad Regie zu studieren. Die Filme der ersten Generation wurden in den 50er Jahren realisiert, gewannen jedoch erst in den 60er Jahren an Bedeutung. In den frühen 60er Jahren unterrichtete die erste die zweite Generation der Regisseure, die protestierenden Studenten. Die Filme der zweiten Generation waren um einiges provozierender und direkter.

Die Studentenproteste in der Philosophischen Fakultät in Belgrad richteten sich vor allem gegen den Antibürokratismus, die Studenten forderten die Umsetzung der Verfassung des BdKJ in die Praxis. Zuerst räumte Tito in einer Fernsehansprache die Versäumnisse ein, nannte aber keine drei Wochen später die Proteste staatsfeindlich und sah in den Professoren die Protagonisten. Die Antwort auf neue Proteste war Unterdrückung: zuerst traf es die studentischen Organisationen, dann deren Publikationen. Auf die zunehmende Radikalisierung der Aufstände, Solidarisierung mit streikenden Arbeitern, wurde mit Verhaftungen und Prozessen reagiert. Namhafte Regisseure dieser Zeit sind Želimir Žilnik, Živojin Pavlović, Aleksandar Petrović, Dušan Makajev und Jovan Jovanović.

Fussnoten

  1. Iordanova, D. (Ed.), 2006. The cinema of the Balkans. Wallflower, London; New York. S. 109.
  2. Levi, P., 2007. Disintegration in frames: aesthetics and ideology in the Yugoslav and post-Yugoslav cinema. Stanford University Press, Stanford, Calif. S. 64.
  3. Simeunović, T. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/02.pdf (22.10.2014).
  4. Kosanović, D.: Srbija. In: B. Grbić (Hrsg.): Die siebte Kunst auf dem Pulverfass. 1996. Graz. S. 111.
  5. Simeunović, 2010. S. 130.
  6. Vidan, A., 2011. Spaces of ideology in South Slavic films. In: Studies in East European Cinema, Vol. 2, Nr.2. S.173- 192.
  7. Iordanova, 2006. S. 111.
  8. Ebd.
  9. Chushak, Nadiya. Yugonostalgic against All Odds: Nostalgia for Socialist Federal Republic of Yugoslavia among Young Leftist Activists in Contemporary Serbia. School of Social and Political Science, The University of Melbourne, August 2013. https://minerva-access.unimelb.edu.au/bitstream/handle/11343/38288/301593_CHUSHAK%20file%20properties.pdf. (25.10.2014)
  10. http://de.wikipedia.org/wiki/Italienischer_Neorealismus (12.10.14); http://de.wikipedia.org/wiki/Nouvelle_Vague (12.10.14); Greg DeCuir. Yugoslav Black Wave, Polemical Cinema from 1963-72 in the Socialist Federel Republic of Yugoslavia
  11. http://www.filmske-radosti.com/%C4%8Clanci/Crni-talas (12.10.2014)
  12. http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=104 (26.10.2014)
  13. Simeunović, T. Gehütete Streifen. Die Schwarze Welle im serbischen Spielfilm (1962–1972). in: südslavistik-online. Nr. 2. (Mai 2010). hg. von J. Raecke und B. Golubović. http://www.suedslavistik-online.de/02/simeunovic.pdf (26.10.2014)
  14. http://www.taz.de/!25012/ (26.10.2014)
  15. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5521 (26.10.2014)