Sarajevo

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Version vom 11. November 2014, 13:23 Uhr von Armin (Diskussion | Beiträge) (Erinnerungskultur Sarajevos)
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Einleitung

Sarajevo, die Hauptstadt Bosnien Herzegowinas, erlangte internationale Bekanntheit durch Ereignisse wie das Attentat von Sarajevo im Jahre 1914, die Winterolympiade 1984 und durch die Belagerung von 1992 bis 1996. Toleranz, Offenheit und ethnische Vielfalt sind einerseits Markenzeichen Sarajevos, die die Stadt zum Mikrokosmos Jugoslawiens gemacht haben; andererseits ist die Geschichte der Stadt von kriegerischen Auseinanderetzungen geprägt.

Sarajevo in der SFRJ

Während des Zweiten Weltkrieges marschierten die Truppen des Deutschen Reiches in Bosnien ein und kurz darauf wurde Bosnien unter die Kontrolle des Unabhängiger Staat Kroatien gestellt. 1941 gründeten die jugoslawischen Kommunisten mit Marschall Josip Broz Tito eine Widerstandsbewegung, die sich Partisanen nannten. Diese kämpften gegen die deutschen Truppen und gegen die Ustascha-feindlichen Tschetniks. Die Partisanen wurden von den Alliierten unterstützt und bestärkt, während die Tschetniks schwächer wurden. In Bosnien wurde an zahlreichen Fronten gekämpft und somit wurde Bosnien Schauplatz für kriegerische Auseinandersetzungen. 1943 wurde Bosnien und Herzegowina in Jajce zur Republik innerhalb der Föderation Jugoslawien erklärt. Im selben Jahr wurde Vladimir Peric – genannt Walter – Parteisekretär der Stadt und ging Aufgaben im Geheimdienst sowie im Bereich der Anti-Sabotage nach.

In der Periode des sozialistischen Jugoslawien modernisierte sich Stadt Sarajevo rapide. Um der Armut nach dem Krieg entgegenzuwirken, wurden die Alphabetisierung und Urbanisierung angekurbelt, welche in der Zwischenkriegszeit ins Stocken geraten waren. Die Einwohnerzahl verdreifachte sich in Sarajevo und der Anteil der Muslime war mit rund 50% die stärkste Bevölkerungsgruppe. Schwerpunkt des Stadtausbaus nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Schaffung von Wohnraum, die Anlage von Kultur-, Wissenschafts- und Freizeiteinrichtungen sowie die Neugestaltung des Regierungs- und Verwaltungssektors. Eine beeindruckende Liste der neuen Institutionen sprach für das erneuerte Stadtbild Sarajevos der unmittelbaren Nachkriegszeit.[1]

Sarajevo als Mikrokosmos Jugoslawiens

Die SFRJ war eines der beliebtesten Ferienziele in Europa. In Bosnien war vor allem Sarajevo ein bevorzugtes Domizil. Der Wintertourismus war auf Sarajevo konzentriert, wo 1984 zudem die Olympischen Winterspiele stattfanden. Neben dem Tourismus war Sarajevo als Zentrum der Jugo-Rockszene bekannt. Rockbands wie Bijelo Dugme (Weisser Knopf) [2], Zabranjeno Pusenje (Rauchen Verboten)[3] und Viele mehr hatten ihren Anfang in Sarajevo. Die Bürger aller Glaubensgemeinschaften und Nationalitäten lebten gleichberechtigt und nahmen am Aufbau Bosniens und Jugoslawiens teil. In dieser Phase fiel auch die Anerkennung der Muslime als selbständige Nation, für deren Identität allein die Religion und nicht ihre ethnische Zugehörigkeit entscheiden war. Das Zentrum dieser neuen Nation wurde das an sich multiethnische Sarajevo, welches als kleines Abbild Jugoslawiens bezeichnet wurde, denn nirgends wo war die ethnische Vielfalt und die Multikulturalität so gross. Kirchen, Moscheen und Synagogen lagen und liegen heute noch unweit nebeneinander und wiederspiegeln diese Multikulturalität.

Sarajevo im bosnischen Bürgerkrieg 1992-1995

Nach dem Tod Josip Broz Titos und Anfangs der 90er Jahre kame es zu Wahlkämpfen in den sechs Republiken. «Am 25. Juni 1991 erklärten die Parlamente von Slowenien und Kroatien die Unabhängigkeit ihrer Republiken[...]. Zwei Tage später begannen die postjugoslawischen Kriege».[4] Danach strebten alle Republiken ihre Unabhängigkeit an. Danach folgte im Jahre 1992 die Unabhängigkeitserklärung Bosnien Herzegowinas, welche von der EU und den USA anerkannt wurde. Die Serben legten einen Belagerungsring um Sarajevo, was den Beginn der Belagerung auslöste.

Über den Beginn des Bosnienkrieges gibt es zwei Versionen: Von serbischer Seite wird der 1. März 1992 als Beginn der Kämpfe in der Stadt und als Auftakt für den Bosnienkrieg genannt. An diesem Tag soll ein Muslim auf eine serbische Hochzeitsgesellschaft]...] geschossen haben. Von bosniakischer Seit gilt der 5. April als Beginn: am diesem Tag fand eine Friedensdemonstration statt, an denen bis zu 100'000 Menschen beteiligt gewesen sein sollten. [...] dann feuerten Scharfschützen in die Menge und töteten eine muslimische Medizinstudentin und eine Kroatin. [5]

Sarajevo wurde während der Belagerung 1992-1995 weitgehend zerstört. Die Stadt wurde im Bosnienkrieg fast vier Jahre lang von der Armee der Republika Srpska belagert. Grosse Teile der historischen Innenstadt und viele Wohngebiete wurden zerstört. Die aus österreichisch-ungarischen Zeiten stammende Nationalbibliothek mit ihrem gesamten Bestand wurde ein Opfer der Flammen. Bosnisch-serbische Scharfschützen eröffneten wahllos das Feuer auf Zivilisten und verwandelten eine der Hauptausfallsstrassen Sarajevos in die berüchtigte Sniper Alley. Von den Hügeln aus, deren Skigebiete 1984 noch als Austragungsort der Olympischen Winterspiele dienten, wurde Artillerie- und Mörserfeuer auf Gemüsemärkte getragen. Dabei ist die schlimmste Zeit vom Ende des zweiten Halbjahrs 1992 und Anfang des ersten Halbjahrs 1992 datiert: das Leben fand grösstenteils in Kellern statt, die Wirtschaft brach zusammen, das Wasser sowie die Stromversorgung wurde knapp. «Höhepunkt bildete der 2.Juli 1993, an dem 3'777 Granateneinschläge gezählt wurden. Sie hinterliessen eine Spur der Verwüstung. Die Strom-, Wasser- und Gasversorgung wurde unterbrochen, der öffentliche Verkehr lahmgelegt, der Hauptbahnhof, das Post- und Telegrafenamt, die Radio- und Fernsehstation, das Verlagsgebäude der Tageszeitung, verschiedene Krankenhäuser, Regieurngsgebäude, Militäreinrichtugen, zahlreiche Hotels, die Zwillingshochhäuser sowie weit mehr als 100'000 Wohnungen wurden beschädigt oder zerstört» [6]

Durch die Fertigstellung des Sarajevo-Tunnels 1993, verbesserte sich die Versorgungslage; Transport von Lebensmittel, Medikamenten und Waffen wurde ermöglicht. Ohne die Errichtung des Tunnels wäre das Überleben in der Stadt unmöglich gewesen.


Erinnerungskultur Sarajevos

Wie ganz Bosnien leide Sarajevo an den Folgen des Krieges von 1992-95, stellt der deutsche Südosteuropa Historiker Holm Sundhaussen fest: «Es leidet an einer gespaltenen, traumatisierten, verarmten Gesellschaft, an einer von der internationalen Gemeinschaft implementierten Verfassung, die einen funktionierenden Staat unmöglich macht, und an der Unfähigkeit einer hochprivilegierten Politikerschicht, die vor allem an den Erhalt ihrer Privilegien denkt und sich weigert, Lösungen im Interesse der Bevölkerung zu suchen.»[7] In der Gegenwart Bosnien und Herzegowinas nimmt die jüngste, vom blutigen Krieg gekennzeichnete Vergangenheit eine herausragende Stellung ein. Das Leben ist immer noch stark vom Kriegsgeschehen und den Kriegsfolgen geprägt und das Thema der Verantwortung für den Krieg ist aus dem gesellschaftspolitischen Diskurs nicht weg zu denken.[8]

Erst im letzten Jahrzehnt nahm die Modernisierung Sarajevos zu, das Stadtbild musste sich nach dem Krieg verändern. Es entstanden moderne Hochhäuser, neue Einkaufszentren und moderne Architekturen. Vielerorts stehen aber immer noch Wohnungen und Objekte, die noch nicht renoviert wurden und deren Einschusslöcher an die Belagerung erinnern. Daran erkennt man, die noch nicht abgeschlossene Vergangenheitsbewältigung. Die Roten Rosen Sarajevos zeigen Stellen, wo die Granaten eintrafen. Das Denkmal "Spomenik ubijenoj djeci Sarajeva"(Denkmal für die ermoerdeten Kinder Sarajevos) im Zentrum Sarajevos, genauer beim sogenannten "Grossen Park", steht für die getöteten Kinder während der Belagerung 1992-1996. Das Denkmal wird oft besucht, da man oft an diesem Park vorbeiläuft und auch die Einwohner Sarajevos kritisieren die Absicht des Denkmals - die moderne Zeit mit der Vergangenheit während des Krieges zu vereinen - positiv.

Neben diesen Erinnerungen an den Krieg, erinnern sich die Leute gerne an die Zeit Jugoslawiens. Für viele Menschen war das Leben im damaligen Jugoslawien einfacher als heute. Unter der Führung des Marschalls Tito beschreiben die Leute Jugoslawien als eine gut und stark funktionierende Republik.

In Sarajevo gibt es ein Tito-Café, welches gut besucht ist sowie eine Rock Bar Johnny, die an die Musik und die Zeit im damaligen Jugoslawien erinnern.

Trotz der beständigen Präsenz der Vergangenheit in vielen Bereichen des Lebens in Bosnien Herzegowina bzw. Sarajevo, gibt es heute wenige Beispiele für gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Die Stadt liegt auf beiden Seiten der bosnischen Entitätengrenze zwischen der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska.

Durch diese Teilung gibt es auch im Lehrplan der Schulen in Bosnien Herzegowina Unterschiede. Das Bildungssystem ist dreigeteilt, was zu verschiedenen Lehrplänen in den Regionen führt. Diese Teilung wird oft kritisiert mit dem Argument, dass die Schüler „verschiedene Geschichten“ Jugoslawiens lernen.

Dieses Argument wird auch von einem der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Bosnien Herzegowinas Nenad Velickovic unterstützt.

Anmerkungen

<references>

  1. Holm Sundhaussen, Sarajevo; Die Geschichte einer Stadt, Wien Köln Weimar 2014, S. 289; 293 f.
  2. http://de.wikipedia.org/wiki/Bijelo_dugme (Stand: 11.11.2014)
  3. http://de.wikipedia.org/wiki/Zabranjeno_pu%C5%A1enje (Stand: 11.11.2014)
  4. Holm Sundhaussen, Sarajevo; Die Geschichte einer Stadt, 2014 by Böhlau Verlag, Wien Kölm Weimar, S. 313
  5. Holm Sundhaussen, Sarajevo; Die Geschichte einer Stadt, 2014 by Böhlau Verlag, Wien Kölm Weimar, S.325-326
  6. Holm Sundhaussen, Sarajevo; Die Geschichte einer Stadt, 2014 by Böhlau Verlag, Wien Kölm Weimar, S.327
  7. http://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/sarajevo-gegenbild-einer-nationalen-hauptstadt (Stand: 26.10.2014)
  8. http://www.kas.de/wf/doc/kas_9323-544-1-30.pdf?090729102302 (Stand: 26.10.2014)