Personenkult um Tito: Unterschied zwischen den Versionen

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== Entstehung von Titos Charisma ==  
 
== Entstehung von Titos Charisma ==  
Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept «Charismatische Herrschaft» aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer «Aufbauphase» des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des AVNOJ, auch zum faktischen Staatsführer entwickelt. <br /> Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers. Auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bediente sich Tito der Macht der Medien, es gelang ihm, sich mit ihrer Hilfe als erfolgreichen und umsichtigen militärischen Strategen zu vermarkten. <ref> Sabo, Klaudija: Nach Tito, Tito! Der visuelle Kult und sein Vermächtnis. In: Zeitgeschichte Bd. 5 2012. S. 348. </ref> Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang aus, bis zu seinem Tod. <br /> Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung [[«Brüderlichkeit und Einheit»]] («bratstvo i jedinstvo»), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft. Zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.» <ref> Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f. </ref> <br /> Nach Ende des Krieges wurde der Name des Partisanenführers in die Topographie des neuen Staates eingeschrieben: Vier Städte wurden ihm zu Ehren umbenannt (Titograd, Titova Korenica, Titovo Užice und Titov Veles). Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen zusätzlichen Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies  in Folge seines Bruchs mit Stalin und des damit verbundenen Ausschlusses des [[Kommunistische Partei Jugoslawien|Bundes der Kommunisten Jugoslaviens]] (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten. Dies wiederum konnte der jugoslawischen Bevölkerung als glanz- und würdevolle Leistung ihres Charismatikers vermittelt werden.  
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Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept «Charismatische Herrschaft» aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer «Aufbauphase» des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des [[AVNOJ|Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens]] (Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ), auch zum faktischen Staatsführer entwickelt. <br /> Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers. Auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bediente sich Tito der Macht der Medien, es gelang ihm, sich mit ihrer Hilfe als erfolgreichen und umsichtigen militärischen Strategen zu vermarkten. <ref> Sabo, Klaudija: Nach Tito, Tito! Der visuelle Kult und sein Vermächtnis. In: Zeitgeschichte Bd. 5 2012. S. 348. </ref> Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang aus, bis zu seinem Tod. <br /> Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung [[«Brüderlichkeit und Einheit»]] («bratstvo i jedinstvo»), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft. Zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.» <ref> Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f. </ref> <br /> Nach Ende des Krieges wurde der Name des Partisanenführers in die Topographie des neuen Staates eingeschrieben: Vier Städte wurden ihm zu Ehren umbenannt (Titograd, Titova Korenica, Titovo Užice und Titov Veles). Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen zusätzlichen Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies  in Folge seines Bruchs mit Stalin und des damit verbundenen Ausschlusses des [[Kommunistische Partei Jugoslawien|Bundes der Kommunisten Jugoslaviens]] (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten. Dies wiederum konnte der jugoslawischen Bevölkerung als glanz- und würdevolle Leistung ihres Charismatikers vermittelt werden.  
  
 
== Tito als charismatischer Staatspräsident Jugoslawiens ==  
 
== Tito als charismatischer Staatspräsident Jugoslawiens ==  

Version vom 24. November 2014, 08:48 Uhr

Der Personenkult um Tito fällt in die gesamte Herrschaftszeit Josip Broz Titos (1892-1980) über das sozialistische Jugoslawien (1943-1980). Oft wird auch das darauffolgende Jahrzehnt dazugerechnet, da Titos charismatische Ausstrahlung weit über sein persönliches Ableben hinaus anhielt.
Tito war und ist als langjähriges Staatsoberhaupt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Socialistička Federativna Republika Jugoslavije, SFRJ) nicht nur fest verbunden mit diesem Staatsgebilde, er wird gar als Personifizierung Jugoslawiens dargestellt. Anlehnend an die sozialistische jugoslawische Losung «Wir gehören Tito, Tito ist unser» („Mi smo Titovi, Tito je naš») hat der renommierte Südosteuropa-Historiker Holm Sundhaussen in einer Publikation zu Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten die Schlussfolgerung gemacht: „Tito war Jugoslawien, Jugoslawien war Tito». [1]
Titos Herrschaftslegitimation über das sozialistische Jugoslawien würde bis zu seinem Tod nie ernsthaft angegriffen. [2]

Die Entwicklung des Titokults, dessen Anfänge ins Jahr 1941 verordnet werden, lässt sich durch die Charisma-Theorie von Max Weber in zwei Phasen aufteilen: Den «Aufbau des Charisma» und die «Veralltäglichungsphase». Ersteres fällt im Falle Tito in die Zeit des Zweiten Weltkriegs sowie in die unmittelbare Nachkriegszeit. Zweiteres deckt sich mit Titos Herrschaftszeit über das sozialistische Jugoslawien und hält bis zu seinem Tod an.
Diese Einteilung lässt sich mit den drei Phasen vergleichen, die Todor Kulić innerhalb des Personenkults um Tito ausmacht:
1941 – 1949: «Autorität des Armeeführers und des Staatsmannes angelehnt an das Charisma Stalins»
1949 – 1980: «von Stalin unabhängiges Charisma und Kult des Partei- und Staatführers»
1980 – 1990: «ideologischer und staatlicher Totenkult» [3]

Entstehung von Titos Charisma

Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept «Charismatische Herrschaft» aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer «Aufbauphase» des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ), auch zum faktischen Staatsführer entwickelt.
Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers. Auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bediente sich Tito der Macht der Medien, es gelang ihm, sich mit ihrer Hilfe als erfolgreichen und umsichtigen militärischen Strategen zu vermarkten. [4] Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang aus, bis zu seinem Tod.
Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung «Brüderlichkeit und Einheit» («bratstvo i jedinstvo»), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft. Zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.» [5]
Nach Ende des Krieges wurde der Name des Partisanenführers in die Topographie des neuen Staates eingeschrieben: Vier Städte wurden ihm zu Ehren umbenannt (Titograd, Titova Korenica, Titovo Užice und Titov Veles). Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen zusätzlichen Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies in Folge seines Bruchs mit Stalin und des damit verbundenen Ausschlusses des Bundes der Kommunisten Jugoslaviens (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten. Dies wiederum konnte der jugoslawischen Bevölkerung als glanz- und würdevolle Leistung ihres Charismatikers vermittelt werden.

Tito als charismatischer Staatspräsident Jugoslawiens

öffentliche Rituale und Feiertage

Auf die „Aufbauphase“ des Charismas folgt im Weber’schen Sinne die „Veralltäglichungsphase“, in dem versucht wird, das Charisma in den Alltag zu integrieren und nachhaltig zu festigen. Um Titos Person und seine Charismatische Ausstrahlung fest in das Bewusstsein der jugoslawischen Bevölkerung verankern zu können, knüpfte man wieder an alte Traditionen an und rief neue ins Leben. Von all den jugoslawischen Feiertagen und weiteren öffentlichen Ritualen, durch die Titos charismatische Herrschaft immer wieder von neuem bekräftigt wurde, stellte der Feiertag des 25. Mai einen alljährlichen Höhepunkt dar, an diesem historischen Datum war Tito im Jahr 1944 in Drvar knapp einer Überraschungs-Blitzaktion deutscher Fallschirmjäger entkommen. [6] So wurde im sozialistischen Jugoslawien der 25. Mai als symbolischer Geburtstag des Marschalls, gleichzeitig als Siegestag der Partisanen sowie als Tag der Jugend in hochritualisierter Form gefeiert. Der 25. Mai lief alljährlich nach einem stark ritualisierten Muster ab, wobei als Kernelement der Tito-Staffellauf (Titova Štafeta), ab 1956 umbenannt in Staffellauf der Jugend (Štafeta mladosti), genannt werden kann. Dabei wurden in gross angelegten Staffelläufen durchs ganze Land, an denen jährlich Tausende von jungen Leuten teilnahmen, Staffelstäbe unter den Teilnehmer von Hand zu Hand über sämtliche Republikgrenzen hinweg weitergegeben. Der Anlass symbolisierte somit mustergültig Titos Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ („bratstvo i jedinstvo“). Diese kam symbolisch auch in Titos Sprachgebrauch deutlich zum Ausdruck. Aufgewachsen mit einem Dialekt, der vom Serbokroatischen relativ weit entfernt ist, sprach Tito auch als Partei- und Staatschef in einem Gemisch zwischen serbischen und kroatischen sowie regionalen Elementen. Auch seine Reden hielt er in dieser ihm eigenen Aussprache, die man in der Forschung gar als „Titolekt“ beizeichnet. Dieser Titolekt war im jugoslawischen Radio sowie TV oft zu hören und lässt sich als „perfekte sprachliche Ikonisierung des Jugoslawismus“ auslegen. [7] Neben dem 25. Mai wurden weitere Festage in den Dienst des Titokults gestellt und trugen zu dessen Stärkung bei. Neben dem Ersten Mai, dessen Feierlichkeiten ebenso eine Plattform zur Tito-Verehfung boten, gehört dazu auch der Nationalfeiertag der SFRJ, der 29. November. Dieser geht auf das Datum des 29.11.1943 zurück, an dem in Jajce auf der zweiten Tagung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ) das juristische Fundament für einen sozialistisch-jugoslawischen Staat sowie Tito der Marschall-Titel verliehen wurde. Mit dem Tag des Kämpfers am 4. Juli und dem Tag der Armee am 22. Dezember waren zwei weitere Feiertage zu Ehren des Partisanenkrieges sowie des ehemaligen Partisanenführers Tito gegeben.
Neben den aufgezählten Feiertagen, die den Titokult in einer rituell-performativer Dimension vorantrieben, war auch die kommunikative Dimension von Titos Herrschaftsausübung essentiell für den Erfolg seiner charismatischer Ausstrahlung.

die kommunikative Dimension des Titokults

Tito legte während seiner Zeit als Staatschef Jugoslawiens grossen Wert darauf, das Attribut „volksnah“ stets beizubehalten. Dieses wurde ihm in den Jahren des Zweiten Weltkrieges als Partisanenführer zugeschrieben und als volksnaher und umgänglicher Stratege und Heeresführer ging er als mythologisierte Heldenfigur auch in den Gründungsmythos Jugoslawiens ein. Der aktive, direkte Kontakt zur Bevölkerung war ein grundlegendes Element von Titos charismatischer Herrschaftsausübung. Er wurde sehr gepflegt und dessen Inszenierung wurde von den Medien gezielt verbreitet.
In den frühen Jahren des sozialistischen Jugoslawiens wurde der Briefaustausch zwischen Tito und der Bevölkerung gepflegt. Seit circa 1945 erhielt Tito täglich Briefe aus dem Volk, die oft an ihn persönlich adressiert waren in denen konkrete Fragen und Bitten formuliert wurden. Es ist bemerkenswert, dass Tito in seinen ersten Jahren als Staatschef viele Briefe noch persönlich beantwortete. Später kam es zu einer Standardisierung des Antwortverfahrens. [8]
Mit der sogenannten Patenschaft (kumstvo) übernahm Tito einen Brauch aus monarchistischen Zeiten, er übernahm für Kinder aus dem einfachen Volk eine Patenschaft. Ebenso pflegte Tito in den Anfängen seiner Herrschaft, sozialen Institutionen für Arme und Bedürftige Geldgeschenke zu machen. [9]
Umgekehrt etablierte sich auch die bis zu Titos Tod anhaltende Tradition, dass dem Staatschef zu besonderen Anlässen Geschenke aus dem Volk überreicht wurden. Das konnten Modellbauten oder Handarbeiten sein, die Tito meist im Namen eines Betriebs, Vereins oder einer Ortschaften geschenkt wurden. [10] 1962 wurde Tito zu seinem 70. Geburtstag von der Stadt Belgrad gar ein Museum zur Aufbewahrung, Kuration und öffentlicher Ausstellung all dieser Geschenke überreicht. Heute ist dieses Museum zusammen mit der Sammlung Teil des Museumskomplexes
Museum der Geschichte Jugoslawiens (Muzej istorije Jugoslavije) in Belgrad.
Der gegenseitige und vielseitige Austausch zwischen Tito und der jugoslawischen Bevölkerung drückt sich auch in der zu Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens sehr verbreiteten Losung „Wir gehören Tito, Tito ist unser“ aus.
Die Volksnähe Titos wurde auch oft photographisch und dokumentarfilmisch festgehalten sowie im Spielfilm dargestellt. Titos Konterfei fand in Form von Büsten und als Portraitphotographien in öffentlichen Gebäuden Verbreitung und war auch auf Banknoten und Briefmarken zu finden. Monumentale Standbilder, wie sie beispielsweise in der Sowjetunion von Lenin und Stalin sehr verbreitet waren, gab es von Tito nur selten. Bekannt sind die Tito-Standbilder des Bildhauers Antun Augustinčić, von denen heute eines noch in Kumrovec, ein weiteres auf dem Gelände des Museum Museum der Geschichte Jugoslawiens in Belgrad steht. Eine weitere monumentale Tito-Statue stand bis 1991 im Städtchen Titovo Užice (ab 1992 wieder Užice) auf dem zentralen Platz des Partisanen (trg partizana).

Selbstinszenierung und Affinität zum Luxus

Tito zeigte sich viel und gerne unter den Leuten, er hielt in seiner Regierungszeit von 1943 bis 1980 1677 persönliche Besuche in einzelnen Gemeinden und Städten Jugoslawiens ab. Auch internationale Staatsbesuche standen regelmässig auf der Tagesordnung. Titos war in zahlreichen (Dokumentar-)Filmen zu sehen und er posierte auf vielen Photographien. Diese Freude an öffentlichen Auftritten hat ihm von seinen Skeptikern und politischen Gegnern auch Kritik eingebracht. Milovan Djilas (1911-1995), einstiger enger Mitarbeiter und ab 1954 Persona non grata in Jugoslawien, diagnostizierte Tito eine „Automythomanie“. [11]
Bekannt ist auch, dass Tito durchaus offen einen luxuriösen Lebensstil pflegte und grossen Wert auf sein Äusseres und seinen Lebensstil legte. Ihm standen in Jugoslawien zahlreiche Villen zur Verfügung, seine Reisen und Staatsbesuche unternahm er über Landweg gerne im luxuriösen Blauen Zug (plavi voz) oder über Seeweg in der Staatsjacht Möwe (Galeb). Gerne und regelmässig lud er verschiedene internationale Stars auf seine Inselresidenz Brioni ein.
Sein persönlicher Lebensstil lässt sich nicht reibungslos mit seiner politischen Ideologie in Einklang bringen. Nicht zufällig ging er als „Dandy des Sozialismus“ in die Geschichte ein. [12] Es lässt sich jedoch festhalten, dass die Jugoslawinnen und Jugoslawen ihrem Staatschef diese Ausschweifungen im grossen und ganzen nicht übel nahmen. Vielmehr erfreuten sie sich ihrer eigenen privaten Freiheiten, die sie im Vergleich zu anderen Bewohnern sozialistischer Staaten durchaus hatten. So eiferten die Jugoslawinnen und Jugoslawen ihrem Staatschef sowie der stets adrett gekleideten Firstlady Jovanka Broz in ihrem (Mode-)konsum fleissig nach - natürlich auf einem sehr viel bescheideneren Niveau. [13]


  1. Sundhaussen, Holm: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten: Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion von "Erinnerungen" und Mythen. In: Flacke, Monika (Hg.): Mythen der Nationen: 1945 - Arena der Erinnerungen. Berlin 2004. Bd. 1, S. 384.
  2. Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 124.
  3. Simeunovič, Tatjana: Sanfter Abschied vom Personenkult: Der Film „Tito i ja“. In: Schweizerische Beiträge zum XIV. Internationalen Slavistenkongress in Ohrid. Bern 2008. S.254.
  4. Sabo, Klaudija: Nach Tito, Tito! Der visuelle Kult und sein Vermächtnis. In: Zeitgeschichte Bd. 5 2012. S. 348.
  5. Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f.
  6. Camić, Emir: Tito als politischer Held. Ein Anwendungsversuch des theoretischen Analysemusters von Peter Tepe. In: Tepe, Peter (Hg.): Mythos No. 2. Politische Mythen. Würzburg 2006, S. 204.
  7. Žanić, Ivo: Hrvatski na uvjetnoj slobodi. Jezik, identitet i politika između Jugoslavije i Europe. Zagreb 2007. S. 92-110.
  8. Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff.
  9. Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff.
  10. Leposavić, Radonja (Hg.): vlasTito iskustvo. Beograd 2004. S. 149ff.
  11. Djilas, Milovan: Der rote Monarch. In: Der Spiegel, Bd. 31, 1980. S. 117.
  12. Ersterwähnung evtl. in Goldsworthys Autobiographie: Goldsworthy Vesna: Heimweh nach Nirgendwo. Wien 2005.
  13. Oberländer, Alexandra: Tagungsbericht: Zwischen öffentlich und privat: Arbeit, Konsum und Freizeit im Sozialismus der 1960er- bis Mitte der 1980er-Jahre, 25.11.2011-26.11.2011, Zürich. In: H-Soz-u- Kult 25.01.2012. Weblink: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4022&view=pdf (23.11.2014).