Brüderlichkeit und Einheit: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Wort «bratstvo» entstand als Bezeichnung für eine Untereinheit eines Stammes und ist je nach Kontext und Zeit als «Clan», «Bruderschaft» oder «Brüderlichkeit» zu verstehen.<ref>Dutoit. Previšić, 2014. S. 73f.</ref>  Im Königreich Jugoslawien (1918-1941) war das Syntagma «bratstvo i jedinstvo» noch nicht gebräuchlich. Die Rhetorik der «Brüderlichkeit» wurde mit der Familien- und Brudermetaphorik in Verbindung gesetzt. Auf staatlicher Ebene wurde dagegen der nationale Unitarismus der jugoslawischen Nation mit der Vereinheitlichung der drei Stämme betont. Dass Serben, Kroaten und Slowenen «ein und dasselbe dreinamige Volk»<ref>Dutoit. Previšić, 2014. S. 79.</ref> seien, liess sich aber nicht verankern.  
 
Das Wort «bratstvo» entstand als Bezeichnung für eine Untereinheit eines Stammes und ist je nach Kontext und Zeit als «Clan», «Bruderschaft» oder «Brüderlichkeit» zu verstehen.<ref>Dutoit. Previšić, 2014. S. 73f.</ref>  Im Königreich Jugoslawien (1918-1941) war das Syntagma «bratstvo i jedinstvo» noch nicht gebräuchlich. Die Rhetorik der «Brüderlichkeit» wurde mit der Familien- und Brudermetaphorik in Verbindung gesetzt. Auf staatlicher Ebene wurde dagegen der nationale Unitarismus der jugoslawischen Nation mit der Vereinheitlichung der drei Stämme betont. Dass Serben, Kroaten und Slowenen «ein und dasselbe dreinamige Volk»<ref>Dutoit. Previšić, 2014. S. 79.</ref> seien, liess sich aber nicht verankern.  
  
Ab den 1930er Jahren kam es langsam zu einer Annäherung an die bekannte Parole. Zahlreiche unterschiedliche, aber auch ähnliche Formulierungen deuten auf eine lange Suche hin. Im Volksbefreiungskrieg war «Bratstvo i jedinstvo» stark mit der antifaschistischen Parole «Tod dem Faschismus - Freiheit dem Volk» (smrt fašizmu – sloboda narodu) verbunden. Eine enge Verbindung des Slogans wird mit der [[Josip Broz Tito]] und dem [[Partisanenkampf|Partisanenkrieg]], als dessen Errungenschaft «Brüderlichkeit und Einheit», angepriesen. Der Slogan diente bis zum Bruch mit Stalin 1948 auch als Loyalitätsbekundung mit der Sowjetunion und den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus. Darüber hinaus herrschte eine Verhaltenserwartung der KPJ, die sich an die Bevölkerung und die Systemloyalität und Systemkonformität richtete.<ref name="höpken">Höpken, 1999. S. 214f.</ref>
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Ab den 1930-er Jahren kam es langsam zu einer Annäherung an die bekannte Parole. Zahlreiche unterschiedliche, aber auch ähnliche Formulierungen deuten auf eine lange Suche hin. Im Volksbefreiungskrieg war «Bratstvo i jedinstvo» stark mit der antifaschistischen Parole «Tod dem Faschismus - Freiheit dem Volk» "(smrt fašizmu – sloboda narodu)" verbunden. Eine enge Verbindung des Slogans wird zwischen [[Josip Broz Tito]] und dem [[Partisanenkampf|Partisanenkrieg]], als dessen Errungenschaft «Brüderlichkeit und Einheit», angepriesen. Der Slogan diente bis zum Bruch mit Stalin 1948 auch als Loyalitätsbekundung mit der Sowjetunion und den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus. Darüber hinaus herrschte eine Verhaltenserwartung der KPJ, die sich an die Bevölkerung und die Systemloyalität und Systemkonformität richtete.<ref name="höpken">Höpken, 1999. S. 214f.</ref>
  
Das Syntagma «Brüderlichkeit und Einheit» war Nationalitätenpolitisches Credo, offizielle Integrationsideologie, politisch-ideologische Parole und Erinnerungstopos zugleich.<ref>Höpken, 1999. S. 220ff.</ref> Die sozialistische Solidarisierungsformel war im sozialistischen Jugoslawiens allgegenwärtig: Das nicht ganz ernst zunehmende Lexikon der YU-Mythologie schrieb etwa, dass Tito die Phrase «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel» bei jedem seiner öffentlichen Auftritte benutzte.<ref name="dutoit">Dutoit. Previšić, 2014. S. 92ff.</ref> Durch die Allgegenwärtigkeit des Slogans verkam die Brüderlichkeitsrhetorik allmählich zu einer abgegriffenen Redewendung. Ausserdem bewirkte die häufige Verwendung der Phrase durch serbische Nationalisten in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine weitere Abwertung.<ref name="dutoit">Dutoit. Previšić, 2014. S. 94.</ref>
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Das Syntagma «Brüderlichkeit und Einheit» war Nationalitätenpolitisches Credo, offizielle Integrationsideologie, politisch-ideologische Parole und Erinnerungstopos zugleich.<ref>Höpken, 1999. S. 220ff.</ref> Die sozialistische Solidarisierungsformel war im sozialistischen Jugoslawiens allgegenwärtig: Das nicht ganz ernst zu nehmende Lexikon der YU-Mythologie schrieb etwa, dass Tito die Phrase «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel» bei jedem seiner öffentlichen Auftritte benutzte.<ref name="dutoit">Dutoit. Previšić, 2014. S. 92ff.</ref> Durch die Allgegenwärtigkeit des Slogans verkam die Brüderlichkeitsrhetorik allmählich zu einer abgegriffenen Redewendung. Ausserdem bewirkte die häufige Verwendung der Phrase durch serbische Nationalisten in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine weitere Abwertung.<ref name="dutoit">Dutoit. Previšić, 2014. S. 94.</ref>
  
 
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*Höpken, Wolfgang: Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat: Jugoslawien 1944 bis 1991. In: Bock, Petra/Wolfrum, Edgar (Hrsg.): Umkämpfte Vergangenheit: Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1999. S. 210-243.
 
*Höpken, Wolfgang: Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat: Jugoslawien 1944 bis 1991. In: Bock, Petra/Wolfrum, Edgar (Hrsg.): Umkämpfte Vergangenheit: Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1999. S. 210-243.
* Dutoit, Jan. Previšić, Boris. Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hrsg.). Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen: V&R unipress, 2014. S. 73-97.
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* Dutoit, Jan. Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hrsg.). Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen: V&R unipress, 2014. S. 73-97.

Version vom 5. Dezember 2014, 15:16 Uhr

Text: MK

zu bestimmen, Widmungsbuch, Bild: VW.

«Brüderlichkeit und Einheit» oder «Brüderlichkeit und Einigkeit» (bratvstvo i jedinstvo) war der Grundsatz der Nationalitätenpolitik der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ).[1] Das im Zweiten Weltkrieg geschmiedete Syntagma trat in die Rhetorik der KPJ ein und wurde als sozialistische Solidarisierungsformel verstanden.[2] Die Losung «Brüderlichkeit und Einheit» verbreitete und etablierte sich während des SFRJ und wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Erinnerungskultur rund um den Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawiens.

Entstehung und Bedeutungswandel

Das Wort «bratstvo» entstand als Bezeichnung für eine Untereinheit eines Stammes und ist je nach Kontext und Zeit als «Clan», «Bruderschaft» oder «Brüderlichkeit» zu verstehen.[3] Im Königreich Jugoslawien (1918-1941) war das Syntagma «bratstvo i jedinstvo» noch nicht gebräuchlich. Die Rhetorik der «Brüderlichkeit» wurde mit der Familien- und Brudermetaphorik in Verbindung gesetzt. Auf staatlicher Ebene wurde dagegen der nationale Unitarismus der jugoslawischen Nation mit der Vereinheitlichung der drei Stämme betont. Dass Serben, Kroaten und Slowenen «ein und dasselbe dreinamige Volk»[4] seien, liess sich aber nicht verankern.

Ab den 1930-er Jahren kam es langsam zu einer Annäherung an die bekannte Parole. Zahlreiche unterschiedliche, aber auch ähnliche Formulierungen deuten auf eine lange Suche hin. Im Volksbefreiungskrieg war «Bratstvo i jedinstvo» stark mit der antifaschistischen Parole «Tod dem Faschismus - Freiheit dem Volk» "(smrt fašizmu – sloboda narodu)" verbunden. Eine enge Verbindung des Slogans wird zwischen Josip Broz Tito und dem Partisanenkrieg, als dessen Errungenschaft «Brüderlichkeit und Einheit», angepriesen. Der Slogan diente bis zum Bruch mit Stalin 1948 auch als Loyalitätsbekundung mit der Sowjetunion und den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus. Darüber hinaus herrschte eine Verhaltenserwartung der KPJ, die sich an die Bevölkerung und die Systemloyalität und Systemkonformität richtete.[1]

Das Syntagma «Brüderlichkeit und Einheit» war Nationalitätenpolitisches Credo, offizielle Integrationsideologie, politisch-ideologische Parole und Erinnerungstopos zugleich.[5] Die sozialistische Solidarisierungsformel war im sozialistischen Jugoslawiens allgegenwärtig: Das nicht ganz ernst zu nehmende Lexikon der YU-Mythologie schrieb etwa, dass Tito die Phrase «Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel» bei jedem seiner öffentlichen Auftritte benutzte.[2] Durch die Allgegenwärtigkeit des Slogans verkam die Brüderlichkeitsrhetorik allmählich zu einer abgegriffenen Redewendung. Ausserdem bewirkte die häufige Verwendung der Phrase durch serbische Nationalisten in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine weitere Abwertung.[2]

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 Höpken, 1999. S. 214f.
  2. 2,0 2,1 2,2 Dutoit. Previšić, 2014. S. 92ff. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „dutoit“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. Dutoit. Previšić, 2014. S. 73f.
  4. Dutoit. Previšić, 2014. S. 79.
  5. Höpken, 1999. S. 220ff.

Literaturliste (Auswahl)

  • Höpken, Wolfgang: Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat: Jugoslawien 1944 bis 1991. In: Bock, Petra/Wolfrum, Edgar (Hrsg.): Umkämpfte Vergangenheit: Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1999. S. 210-243.
  • Dutoit, Jan. Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hrsg.). Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen: V&R unipress, 2014. S. 73-97.