Personenkult um Tito: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Entwicklung des Titokults, dessen Anfänge ins Jahr 1941 verordnet werden, lässt sich durch die Charisma-Theorie von Max Weber in zwei Phasen aufteilen: Den „Aufbau des Charisma“ und die „Veralltäglichungsphase“. Ersteres fällt im Falle Tito in die Zeit des Zweiten Weltkriegs sowie in die unmittelbare Nachkriegszeit. Zweiteres deckt sich mit Titos Herrschaftszeit über das sozialistische Jugoslawien und hält bis zu seinem Tod an. <br /> Diese Einteilung lässt sich mit den drei Phasen, die Todor Kulić innerhalb des Personenkults um Tito ausmacht, vergleichen: <br /> 1941 -1949: „Autorität des Armeeführers und des Staatsmannes angelehnt an das Charisma Stalins“ <br /> 1949 – 1980: „von Stalin unabhängiges Charisma und Kult des Partei- und Staatführers“ <br /> 1980 – 1990: „ideologischer und staatlicher Totenkult“ <ref> Simeunovič, Tatjana: Sanfter Abschied vom Personenkult: Der Film „Tito i ja“. In: Schweizerische Beiträge zum XIV. Internationalen Slavistenkongress in Ohrid. Bern 2008. S.254. </ref>
 
Die Entwicklung des Titokults, dessen Anfänge ins Jahr 1941 verordnet werden, lässt sich durch die Charisma-Theorie von Max Weber in zwei Phasen aufteilen: Den „Aufbau des Charisma“ und die „Veralltäglichungsphase“. Ersteres fällt im Falle Tito in die Zeit des Zweiten Weltkriegs sowie in die unmittelbare Nachkriegszeit. Zweiteres deckt sich mit Titos Herrschaftszeit über das sozialistische Jugoslawien und hält bis zu seinem Tod an. <br /> Diese Einteilung lässt sich mit den drei Phasen, die Todor Kulić innerhalb des Personenkults um Tito ausmacht, vergleichen: <br /> 1941 -1949: „Autorität des Armeeführers und des Staatsmannes angelehnt an das Charisma Stalins“ <br /> 1949 – 1980: „von Stalin unabhängiges Charisma und Kult des Partei- und Staatführers“ <br /> 1980 – 1990: „ideologischer und staatlicher Totenkult“ <ref> Simeunovič, Tatjana: Sanfter Abschied vom Personenkult: Der Film „Tito i ja“. In: Schweizerische Beiträge zum XIV. Internationalen Slavistenkongress in Ohrid. Bern 2008. S.254. </ref>
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== Entstehung von Titos Charisma ==  
 
== Entstehung von Titos Charisma ==  
Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept „Charismatische Herrschaft“ aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer „Aufbauphase“ des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des AVNOJ, auch zum faktischen Staatsführer entwickelt. <br /> Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers.  
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Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept „Charismatische Herrschaft“ aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer „Aufbauphase“ des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des AVNOJ, auch zum faktischen Staatsführer entwickelt. <br /> Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers. Auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bediente sich Tito der Macht der Medien, es gelang ihm, sich mit ihrer Hilfe als erfolgreichen und umsichtigen militärischen Strategen zu vermarkten. <ref> Sabo, Klaudija: Nach Tito, Tito! Der visuelle Kult und sein Vermächtnis. In: Zeitgeschichte Bd. 5 2012. S. 348. </ref> Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang, bis zu seinem Tod, aus. <br /> Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ („bratstvo i jedinstvo“), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft, zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: „Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.“ <ref> Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f. </ref> <br /> Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen weiteren Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies  in Folge seines Bruchs mit Stalin und des damit verbundenen Ausschlusses des „Bundes der Kommunisten Jugoslaviens" (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten.
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== Tito als charismatischer Staatspräsident Jugoslawiens ==
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=== öffentliche Rituale und Feiertage ===
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Auf die „Aufbauphase“ des Charismas folgt im Weber’schen Sinne die „Veralltäglichungsphase“, in dem versucht wird, das Charisma in den Alltag zu integrieren und nachhaltig zu festigen. Um Titos  Person und seine Charismatische Ausstrahlung fest in das Bewusstsein der jugoslawischen Bevölkerung verankern zu können, knüpfte man wieder an alte Traditionen an und rief neue ins Leben. Von all den jugoslawischen Feiertagen und weiteren öffentlichen Ritualen, durch die Titos charismatische Herrschaft immer wieder von neuem bekräftigt wurde, stellte der Feiertag des 25. Mai einen alljährlichen Höhepunkt dar, an diesem historischen Datum war Tito im Jahr 1944 in Drvar knapp einer Überraschungs-Blitzaktion deutscher Fallschirmjäger entkommen. <ref> Camić, Emir: Tito als politischer Held. Ein Anwendungsversuch des theoretischen Analysemusters von Peter Tepe. In: Tepe, Peter (Hg.): Mythos No. 2. Politische Mythen. Würzburg 2006, S. 204. </ref> So wurde im sozialistischen Jugoslawien der 25. Mai als symbolischer Geburtstag des Marschalls, gleichzeitig als Siegestag der Partisanen sowie als Tag der Jugend in hochritualisierter Form gefeiert. Der 25. Mai lief alljährlich nach einem stark ritualisierten Muster ab, wobei als Kernelement der Tito-Staffellauf (Titova Štafeta), ab 1956 umbenannt in Staffellauf der Jugend (Štafeta mladosti), genannt werden kann. Dabei wurden in gross angelegten Staffelläufen durchs ganze Land, an denen jährlich Tausende von jungen Leuten teilnahmen, Staffelstäbe unter den Teilnehmer von Hand zu Hand über sämtliche Republikgrenzen hinweg weitergegeben. Der  Anlass  symbolisierte somit mustergültig Titos Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ („bratstvo i jedinstvo“).
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Diese kam symbolisch auch in Titos Sprachgebrauch deutlich zum Ausdruck. Aufgewachsen mit einem Dialekt, der vom Serbokroatischen relativ weit entfernt ist, sprach Tito auch als Partei- und Staatschef in einem Gemisch zwischen serbischen und kroatischen sowie regionalen Elementen. Auch seine Reden hielt er in dieser ihm eigenen Aussprache,  die man in der Forschung gar als „Titolekt“ beizeichnet. Dieser Titolekt war im jugoslawischen Radio sowie TV oft zu hören und lässt sich  als „perfekte sprachliche Ikonisierung des Jugoslawismus“  auslegen. <ref> Žanić, Ivo: Hrvatski na uvjetnoj slobodi. Jezik, identitet i politika između Jugoslavije i Europe. Zagreb 2007. S. 92-110. </ref>
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Neben dem 25. Mai wurden weitere Festage in den Dienst des Titokults gestellt und trugen zu dessen Stärkung bei. Neben dem Ersten Mai, dessen Feierlichkeiten ebenso eine Plattform zur Tito-Verehfung boten, gehört dazu auch der Nationalfeiertag der SFRJ, der 29. November. Dieser geht auf das Datum des 29.11.1943 zurück, an dem in Jajce auf der zweiten Tagung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ) das juristische Fundament für einen sozialistisch-jugoslawischen Staat sowie Tito der Marschall-Titel verliehen wurde. Mit dem Tag des Kämpfers am 4. Juli und dem Tag der Armee am 22. Dezember waren zwei weitere Feiertage zu Ehren des Partisanenkrieges sowie des ehemaligen Partisanenführers Tito gegeben. <br /> Neben den aufgezählten Feiertagen, die den Titokult in einer rituell-performativer Dimension vorantrieben, war auch die kommunikative Dimension von Titos Herrschaftsausübung essentiell für den Erfolg seiner charismatischer Ausstrahlung.  
  
Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang, bis zu seinem Tod, aus. <br /> Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung „Brüderlichkeit und Einigkeit“ („bratstvo i jedinstvo“), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft, zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: „Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.<ref> Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f. </ref> <br /> Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen weiteren Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies  in Folge des Bruchs zwischen Stalin und Tito und des damit verbundenen Ausschlusses des „Bundes der Kommunisten Jugoslaviens" (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten.  
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=== die kommunikative Dimension des Titokults ===
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Tito legte während seiner Zeit als Staatschef Jugoslawiens grossen Wert darauf, das Attribut „volksnah“ stets beizubehalten, dass er sich als Anführer im Partisanenkampf zugetan hat und mit dem er als mythologisierte Heldenfigur in den Gründungsmythos Jugoslawiens Eingang gefunden hat. Der aktive, direkte Kontakt zur Bevölkerung war ein grundlegendes Element von Titos charismatischer Herrschaftsausübung. Er wurde sehr gepflegt und dessen Inszenierung wurde von den Medien gezielt verbreitet. <br /> In den frühen Jahren des sozialistischen Jugoslawiens wurde der Briefaustausch zwischen Tito und der Bevölkerung gepflegt. Seit circa 1945 erhielt Tito täglich Briefe aus dem Volk, die oft an ihn persönlich adressiert waren durch die konkrete Fragen und Bitten formuliert wurden. Auch wenn es mit der Zeit zu einer Standardisierung der Antworten kam so ist es doch bemerkenswert, dass Tito zu seiner Anfangszeit als Staatschef viele Briefe noch persönlich beantwortete. <ref> Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff. </ref> <br /> Mit dem sogenannten „kumstvo“ (Dt. „Patenschaft“) übernahm Tito einen Brauch aus monarchischen Zeiten, er übernahm für Kinder aus dem einfachen Volk eine Patenschaft. Auch dies sollte den direkten Draht zwischen Staatschef und Bevölkerung stärken. Ebenso pflegte Tito in den Anfängen seiner Herrschaft, sozialen Institutionen für Arme und Bedürftige Geldgeschenke zu machen. <ref> Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff. </ref> <br /> Umgekehrt wurde es auch zur Tradition, die bis zu Titos Tod anhielt, dass dem Staatschef zu besonderen Anlässen Geschenke aus dem Volk überreicht wurden. Das konnten Modellbauten oder Handarbeiten sein, die Tito meist im Namen eines Betriebs, Vereins oder einer Ortschaften geschenkt wurde. <ref> Leposavić, Radonja (Hg.): vlasTito iskustvo. Beograd 2004. S. 149ff. </ref> 1962 wurde Tito zu seinem 70. Geburtstag von der Stadt Beograd gar ein Museum für die Aufbewahrung, Kuration und öffentliche Ausstellung all dieser Präsente geschenkt. Heute ist dieses Museum zusammen mit der Sammlung Teil des Museumskomplex Museum der Geschichte Jugoslawiens (Muzej istorije Jugoslavije) in Belgrad. <br /> Der gegenseitige und vielseitige Austausch zwischen Tito und der jugoslavischen Bevölkerung drückt sich auch in der zu Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens sehr verbreiteten Losung „Wir gehören Tito, Tito ist unser“ („Mi smo Titovi, Tito je naš“) aus.  
  
 
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Version vom 23. November 2014, 13:37 Uhr

Huhu, dies ist ein Testtest, alles weitere folgt später...
Die Entwicklung des Titokults, dessen Anfänge ins Jahr 1941 verordnet werden, lässt sich durch die Charisma-Theorie von Max Weber in zwei Phasen aufteilen: Den „Aufbau des Charisma“ und die „Veralltäglichungsphase“. Ersteres fällt im Falle Tito in die Zeit des Zweiten Weltkriegs sowie in die unmittelbare Nachkriegszeit. Zweiteres deckt sich mit Titos Herrschaftszeit über das sozialistische Jugoslawien und hält bis zu seinem Tod an.
Diese Einteilung lässt sich mit den drei Phasen, die Todor Kulić innerhalb des Personenkults um Tito ausmacht, vergleichen:
1941 -1949: „Autorität des Armeeführers und des Staatsmannes angelehnt an das Charisma Stalins“
1949 – 1980: „von Stalin unabhängiges Charisma und Kult des Partei- und Staatführers“
1980 – 1990: „ideologischer und staatlicher Totenkult“ [1]



Entstehung von Titos Charisma

Als Erklärungsmuster für den Personenkult um Tito wird in der Forschung u.a. das Konzept „Charismatische Herrschaft“ aus Max Webers Herrschaftstypologie herangezogen. Demnach fällt die Genese eines Charismas in eine ausserordentliche Krisenzeit bzw. in eine Notsituation. Weber spricht dabei von einer „Aufbauphase“ des Charismas. Die charismatische Ausstrahlung um Josip Broz Tito hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg, den auf jugoslawischem Territorium die deutschen Wehrmacht, die Tschetniks (Četnici), die Ustaschi (Ustaše), zeitweise die italienischen Streitkräften sowie Titos Partisanen bestritten. Innerhalb der Kriegsjahre hat sich Tito vom einfachen, volksnahem Partisanenführer zum potentiellen und dann, auf der 2. Sitzung des AVNOJ, auch zum faktischen Staatsführer entwickelt.
Schon während der Kriegsjahre wurde sich Tito und sein enges Umfeld der Wichtigkeit der Medien bewusst, Rundfunk sowie Presse wurden auf Parteilinie gebracht und dienten zur Verbreitung Texten und Bilder des Partisanenführers. Auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bediente sich Tito der Macht der Medien, es gelang ihm, sich mit ihrer Hilfe als erfolgreichen und umsichtigen militärischen Strategen zu vermarkten. [2] Dass Tito die Partisanen siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg herausgeführt hat und diese ohne ausschlaggebende Hilfe fremder Staaten, legte die Basis seiner charismatischen Herrschaft. Diese übte er als Staatschef von Jugoslawien dreieinhalb Jahrzehnte lang, bis zu seinem Tod, aus.
Der Partisanenkampf diente dabei als Gründungsmythos des sozialistischen Jugoslawien und Tito nahm darin die heldenhafte Hauptrolle ein. Die Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ („bratstvo i jedinstvo“), die Tito in den Jahren 1941/42 als Motto des Partisanenkampfes eingeführt hat, wurde zur Kernaussage seiner charismatischer Herrschaft, zu einem schier obligaten Teil seiner öffentlichen Reden wurde die Phrase: „Hütet die Brüderlichkeit und Einheit wie euren Augapfel.“ [3]
Titos Person wurde in den rituellen Gedenkanlässen zum Partisanenkampf, die bald nach Kriegsende eingeführt wurden, gefeiert und öffentlich geehrt. Einen weiteren Aufschwung erhielt seine charismatische Ausstrahlung im Jahre 1948. Dies in Folge seines Bruchs mit Stalin und des damit verbundenen Ausschlusses des „Bundes der Kommunisten Jugoslaviens" (BdKJ, Savez komunista Jugoslavije, SKJ) aus dem Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien, 1947-1956). Durch dieses Ereignis konnte Tito sich als standhafter Antipode Stalins profilieren und auf internationaler Ebene verhalf es ihm zu einem neuen, gefragten Status eines Zwischenmannes zwischen Ostblock und Westmächten.

Tito als charismatischer Staatspräsident Jugoslawiens

öffentliche Rituale und Feiertage

Auf die „Aufbauphase“ des Charismas folgt im Weber’schen Sinne die „Veralltäglichungsphase“, in dem versucht wird, das Charisma in den Alltag zu integrieren und nachhaltig zu festigen. Um Titos Person und seine Charismatische Ausstrahlung fest in das Bewusstsein der jugoslawischen Bevölkerung verankern zu können, knüpfte man wieder an alte Traditionen an und rief neue ins Leben. Von all den jugoslawischen Feiertagen und weiteren öffentlichen Ritualen, durch die Titos charismatische Herrschaft immer wieder von neuem bekräftigt wurde, stellte der Feiertag des 25. Mai einen alljährlichen Höhepunkt dar, an diesem historischen Datum war Tito im Jahr 1944 in Drvar knapp einer Überraschungs-Blitzaktion deutscher Fallschirmjäger entkommen. [4] So wurde im sozialistischen Jugoslawien der 25. Mai als symbolischer Geburtstag des Marschalls, gleichzeitig als Siegestag der Partisanen sowie als Tag der Jugend in hochritualisierter Form gefeiert. Der 25. Mai lief alljährlich nach einem stark ritualisierten Muster ab, wobei als Kernelement der Tito-Staffellauf (Titova Štafeta), ab 1956 umbenannt in Staffellauf der Jugend (Štafeta mladosti), genannt werden kann. Dabei wurden in gross angelegten Staffelläufen durchs ganze Land, an denen jährlich Tausende von jungen Leuten teilnahmen, Staffelstäbe unter den Teilnehmer von Hand zu Hand über sämtliche Republikgrenzen hinweg weitergegeben. Der Anlass symbolisierte somit mustergültig Titos Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ („bratstvo i jedinstvo“). Diese kam symbolisch auch in Titos Sprachgebrauch deutlich zum Ausdruck. Aufgewachsen mit einem Dialekt, der vom Serbokroatischen relativ weit entfernt ist, sprach Tito auch als Partei- und Staatschef in einem Gemisch zwischen serbischen und kroatischen sowie regionalen Elementen. Auch seine Reden hielt er in dieser ihm eigenen Aussprache, die man in der Forschung gar als „Titolekt“ beizeichnet. Dieser Titolekt war im jugoslawischen Radio sowie TV oft zu hören und lässt sich als „perfekte sprachliche Ikonisierung des Jugoslawismus“ auslegen. [5] Neben dem 25. Mai wurden weitere Festage in den Dienst des Titokults gestellt und trugen zu dessen Stärkung bei. Neben dem Ersten Mai, dessen Feierlichkeiten ebenso eine Plattform zur Tito-Verehfung boten, gehört dazu auch der Nationalfeiertag der SFRJ, der 29. November. Dieser geht auf das Datum des 29.11.1943 zurück, an dem in Jajce auf der zweiten Tagung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ) das juristische Fundament für einen sozialistisch-jugoslawischen Staat sowie Tito der Marschall-Titel verliehen wurde. Mit dem Tag des Kämpfers am 4. Juli und dem Tag der Armee am 22. Dezember waren zwei weitere Feiertage zu Ehren des Partisanenkrieges sowie des ehemaligen Partisanenführers Tito gegeben.
Neben den aufgezählten Feiertagen, die den Titokult in einer rituell-performativer Dimension vorantrieben, war auch die kommunikative Dimension von Titos Herrschaftsausübung essentiell für den Erfolg seiner charismatischer Ausstrahlung.

die kommunikative Dimension des Titokults

Tito legte während seiner Zeit als Staatschef Jugoslawiens grossen Wert darauf, das Attribut „volksnah“ stets beizubehalten, dass er sich als Anführer im Partisanenkampf zugetan hat und mit dem er als mythologisierte Heldenfigur in den Gründungsmythos Jugoslawiens Eingang gefunden hat. Der aktive, direkte Kontakt zur Bevölkerung war ein grundlegendes Element von Titos charismatischer Herrschaftsausübung. Er wurde sehr gepflegt und dessen Inszenierung wurde von den Medien gezielt verbreitet.
In den frühen Jahren des sozialistischen Jugoslawiens wurde der Briefaustausch zwischen Tito und der Bevölkerung gepflegt. Seit circa 1945 erhielt Tito täglich Briefe aus dem Volk, die oft an ihn persönlich adressiert waren durch die konkrete Fragen und Bitten formuliert wurden. Auch wenn es mit der Zeit zu einer Standardisierung der Antworten kam so ist es doch bemerkenswert, dass Tito zu seiner Anfangszeit als Staatschef viele Briefe noch persönlich beantwortete. [6]
Mit dem sogenannten „kumstvo“ (Dt. „Patenschaft“) übernahm Tito einen Brauch aus monarchischen Zeiten, er übernahm für Kinder aus dem einfachen Volk eine Patenschaft. Auch dies sollte den direkten Draht zwischen Staatschef und Bevölkerung stärken. Ebenso pflegte Tito in den Anfängen seiner Herrschaft, sozialen Institutionen für Arme und Bedürftige Geldgeschenke zu machen. [7]
Umgekehrt wurde es auch zur Tradition, die bis zu Titos Tod anhielt, dass dem Staatschef zu besonderen Anlässen Geschenke aus dem Volk überreicht wurden. Das konnten Modellbauten oder Handarbeiten sein, die Tito meist im Namen eines Betriebs, Vereins oder einer Ortschaften geschenkt wurde. [8] 1962 wurde Tito zu seinem 70. Geburtstag von der Stadt Beograd gar ein Museum für die Aufbewahrung, Kuration und öffentliche Ausstellung all dieser Präsente geschenkt. Heute ist dieses Museum zusammen mit der Sammlung Teil des Museumskomplex Museum der Geschichte Jugoslawiens (Muzej istorije Jugoslavije) in Belgrad.
Der gegenseitige und vielseitige Austausch zwischen Tito und der jugoslavischen Bevölkerung drückt sich auch in der zu Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens sehr verbreiteten Losung „Wir gehören Tito, Tito ist unser“ („Mi smo Titovi, Tito je naš“) aus.

  1. Simeunovič, Tatjana: Sanfter Abschied vom Personenkult: Der Film „Tito i ja“. In: Schweizerische Beiträge zum XIV. Internationalen Slavistenkongress in Ohrid. Bern 2008. S.254.
  2. Sabo, Klaudija: Nach Tito, Tito! Der visuelle Kult und sein Vermächtnis. In: Zeitgeschichte Bd. 5 2012. S. 348.
  3. Dutoit, Jan; Previšić, Boris: Zwischen Stammesdenken und internationaler Solidarität. Bratstvo im Ersten und Zweiten Jugoslawien. In: Zimmermann, Tanja (Hg.): Brüderlichkeit und Bruderzwist: Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014. S.92f.
  4. Camić, Emir: Tito als politischer Held. Ein Anwendungsversuch des theoretischen Analysemusters von Peter Tepe. In: Tepe, Peter (Hg.): Mythos No. 2. Politische Mythen. Würzburg 2006, S. 204.
  5. Žanić, Ivo: Hrvatski na uvjetnoj slobodi. Jezik, identitet i politika između Jugoslavije i Europe. Zagreb 2007. S. 92-110.
  6. Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff.
  7. Marc Halder: Der Titokult. Charismatische Herrschaft im sozialistischen Jugoslawien. München 2013. S. 158ff.
  8. Leposavić, Radonja (Hg.): vlasTito iskustvo. Beograd 2004. S. 149ff.